Zlatko Kopljar - K19: Ein fast vier Meter hoher Ziegelturm steht seit ein paar Tagen verstörend im Hof vor dem Minoritensaal: Das stärkste Zeichen einer Ausstellung, die sich intensiv mit den Wunden des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt und eine Warnung an die Gegenwart ist: Die Ziegel mussten KZ-Häftlinge im ehemaligen KZ in Jasevonac herstellen.
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AUSLÖSCHUNG: Der Ziegelturm im Hof vor dem Minoritensaal ist eine der 22 „Konstruktionen“ des kroatischen Künstlers Zlatko Kopljar, der im KULTUM im steirischen herbst 24 auf drei Etagen ausgestellt wird: Ausgelöscht sind längst die Hersteller dieser Ziegel. Ausgelöscht ist vielfach auch die Erinnerung, gegen die sich der Künstler zur Wehr setzt: Es breitet sich dabei ein künstlerisches Werk aus fast vier Jahrzehnten aus, die die Frage nach der Rolle der Kunst in einer heutigen Gesellschaft stellt, die bedrohlich an ihren Fundamenten des Zusammenlebens sägt: Kopljars Werk setzt sich mit den Themen Schuld und Opfer nach der Erfahrung des Krieges auseinander, mit Werten in einer postkommunistischen und einer kapitalistischen Gesellschaft, mit Ethik und vor allem mit der Sehnsucht nach Orientierung. Transzendenz, Erhabenheit und Rituale spielen dabei eine große Rolle. Der Künstler setzt sich gegen Auslöschung dieser Themen vielfach zuwehr.
AUSLÖSCHUNG gilt aber auf spezifische Weise auch für Kopljars eigenes künstlerisches Schaffen: Nach der Inszenierung als Performer, später als Lichtfigur, werden bildhauerische Modelle entworfen, die die Frage und die Bergung von Kunst sehr grundsätzlich stellen: Das MoMA in New York und die Tate Modern in London werden zu Reliquiaren in dieser Schau. Schließlich verabschiedet sich Kopljar auch von dieser Form von Kunst und beginnt eine Phase als Maler. Diese Gemälde, die seit 2021 entstehen, sind das erste Mal überhaupt in dieser Ausstellung (im großen Ausstellungssaal) zu sehen: Mit "Disturbances" betitelt, evozieren sie Frieden, Spiritualität und Erhabenheit.
Die umfangreiche Schau, die aus Filmen, Performances, Fotografien, Skulpturen und großformatigen Gemälden besteht, wird am Freitag, den 27. September um 18 Uhr eröffnet.
Ich lade Sie/Dich sehr herzlich zu dieser außerordentlichen Ausstellung ein! Sie ist ein sehr bedeutender Meilenstein unseres lange aufgebauten Museumskonzepts, das nach Religion in der Kunst der Gegenwart sucht. In Ausstellungsräumen, die in den letzten Wochen teilweise völlig neu gerichtet worden sind, vermag sich eine Kunst nun auch real, in großer Aura, zu entfalten. (Ein weiterer Flügel wird im Herbst noch umgebaut.) Was mich besonders bewegt: Fast alle Werke Kopljars werden mit dieser Ausstellung Teil unseres Museums für Religion in der Gegenwartskunst: Umso mehr würde ich mich freuen, Sie/Dich zur Eröffnung bei uns begrüßen zu dürfen.
Herzlichst, Ihr
Johannes Rauchenberger
Mehr Info, Texte und Bilder: www.kultum.at/zlatko-kopljar
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K19 als Eingang in die Ausstellung
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Der Künstler beim Finish des Turms am vergangenen Dienstag
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Gleich im Anschluss, im kleinen Minoritensaal, kniet Willi Brandt vor dem Denkmal des Warschauer Ghettos – in Gestalt der Lichtfigur des Künstlers Zlatko Kopljar (K15).
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Zlatko Kopljar
geb. 1962 in in Zenica (YU), lebt und arbeitet in Zagreb, Kroatien. Er studierte Malerei an der Akademie der Schönen Künste in Venedig und vertrat Kroatien 2004 auf der São Paulo Biennale. Seine Arbeiten waren unter anderem im MSU Zagreb, dem MMSU Rijeka, im The Kitchen - New York zu sehen. Darüberhinaus hatte er Einzelausstellungen in Varaždin, Split, Pula, Ljubljana, Graz, Venedig, Berlin, Köln, Lublin, Liverpool, Valladolid, Antwerpen und Vilnius. Zu den jüngsten Gruppenausstellungen gehören: MERCY, Vilnius (Politics). Luc Tuymans und Zlatko Kopljar (2022); Sanguine: Luc Tuymans on Baroque, Fondazione Prada, Mailand (2019); Glaube Liebe Hoffnung, Kunsthaus Graz (2018) Luc Tuymans, A Vision of Central Europe - The Reality of The Lowest Rank, Brügge und ART WAR TRANSITION (MMSU, Rijeka). Das Museum of Contemporary Art Zagreb widmete Zlatko Kopljar eine umfassende Retrospektive (2019/20). Seine Werke befinden sich in bedeutenden Privat- und Museumssammlungen. www.zlatkokopljar.com
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Im Dachboden hat sich ein Meer aus Federn niedergelegt - darauf liegt eine zwei Meter lange, schwere Nadel: MASTODONT aus dem Jahre 1995. Foto: J. Rauchenberger
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Dutzende an Nadeln wurden in die Wand gerammt: "I BELIEVE" aus dem Jahre 1993. Damals war Zlatko Kopljar von Andrej Tarkowskij beeinflusst, in dessen Filmen wiederholende Rituale beschworen werden. Foto: J. Rauchenberger
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Auslöschung - oder ein Künstler, der die Welt verändern wollte: Das ist sein Bekenntnis ganz am Anfang (1997). In K2 schlägt er wild auf die Wände der Galerie ein. Die Besucher*innen folgen ihm auf diese Weise.
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Sacrifice of Isaac: (1993)
Kopljars Kunst kreist um die Themen Schuld und Opfer, um den Widerstand, den Kreislauf von Opfer und Gewalt zu durchbrechen.
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Sacrifice (1992): Die Bilderserie entstand 30 Jahre vor der "Blutserie", die das Ausstellungssujet bildet.
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LOVE SHOT (1996): Kopljar graviert das Wort für "Liebe" in Kroatisch, Englisch und Italienisch auf ein Projektil. Er fährt zu einem bewaldeten Hügel in der Nähe von Zagreb, wo das Publikum und seine Waffe auf ihn warten. Der Künstler lädt die Waffe und feuert sie blind in die Nacht.
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Auslöschung: Zlatko Kopljars Vater wurde am 23.9.1992 im Krieg durch eine Bombe getötet: K6 aus dem Jahr 2000 erinnert an die Stelle. Zwei Wochen später war auch diese Markierung durch die darüberfahrenden Autos ausgelöscht.
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Mit K9 compassion (2004) wurde Zlatko Kopljar besonders bekannt: Er kniet vor Stätten kultureller, finanzieller und politischer Hegemonie in New York, (später auch in Washington, Sao Paolo, London, Moskau, Peking). Doch sein Knien ist ein Akt von Widerstand. Erstmals wurde diese Serie vom KULTUM im steirischen herbst 2007 in den damaligen Kellerräumen des Grazer Priesterseminars präsentiert. Seit der Ausstellung "MITLEID | compassion" (2012) ist sie Teil unserer Sammlung.
K9 – im Minoritensaal – ist ganz abstrakt gehalten. Doch Eine pathetische Stimme ruft zum letzten Zusammenhalt auf.
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Mit K12 thematisiert Kopljar einerseits die Verzweiflung des Künstlers, inszeniert sogar seinen Tod. Und findet sich im zweiten Video vor einem auf die Erde gefallenen Lichtball wieder: Eine bewegendes Bild für ein Leben nach dem Tod.
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Ab K13 (bis K18) wird Kopljar zur Lichtfigur. Er geht an die Quelle des Lichts - ein ehemaliges Industriegebäude (TEZ-Tower), das als Lampfenversuchsstation in den späten 1950er Jahren gebaut worden war. Er überredete den derzeitigen Besitzer, die Lampen zu reaktivieren: Das Werk war erstmals 2009 in exakt diesen Räumen zu sehen, die jetzt, völlig neu gerichtet, Teil des Museums werden. Kopljar rief mit diesem Video zu einer neuen Ethik auf.
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K17 – ein erschütternder Kommentar zur Gier nach der Finanzkrise 2008, erneut in New York entstanden.
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Und schließlich stehen wir in einem neu eingerichteten Raum vor Architekturmodellen des MoMA in New York und der Tate Modern – einmal als Betonskulptur (K20 Empty) und ein anderes Mal in Form eines Reliquiars: Welche Rolle spielen Institutionen wie das Museum überhaupt noch? Das Bild links (K4, 2002) dokumentiert eine Performance, in der er in der Nacht einen 12 Tonnen schweren Betonblock vor das Museum of Contemporary Art in Zagreb stellen ließ: Der Eingang war damit versperrt... Foto: J. Rauchenberger
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In a time of deeply felt crises and new wars, the work of Croatian artist Zlatko Kopljar stands for an ethical and aesthetic (re)orientation: Kopljar explores the lasting aftereffects of the traumas of the 20th century—fascism, extermination, the Ex-Yugoslav Wars, postsocialism, postcapitalism.
The fundamental questions of ethics, guilt, and sacrifice are a recurring motif in Kopljar’s work. Over almost four decades, he has explored practically all forms of artistic expression, from performance, photography, film, and sculpture to (memorial) art. In his 22 Ks (Constructions), he gradually develops the figure of a man in a reflective suit: the protagonist of his video works, a persona like a lightning rod for human longing. Four years ago, Kopljar decided to paint for the first time—and only paint henceforth. He consistently avoids any obvious message in these “stripe paintings.”
To the opening on Friday, 27th of September 2024, 6 p.m. You are cordially invited!
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OPENING: Fr, 27th of September 2024, 6. p.m.
KULTUM, Mariahilferplatz 3, 8020 Graz, Austria
Introduction: Dr. Johannes Rauchenberger, Curator
Tue–Sat 11 a.m. to 5 p.m., Sun 3 to 6 p.m. (winter: 2 p.m.–5 p.m.)
Curator and Artist-Talk: Sat, 28th of September, 3 p.m.: Johannes Rauchenberger in conversation with Zlatko Kopljar
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