Als "Wiedergänger" im Literatur Hotel (konzipiert von Stefan Schmitzer) treffen am Dienstag, 10. Dezember 2024 um 19 Uhr, Raphaela Edelbauer und Lucas Cejpek im KULTUM aufeinander. Im Fokus stehen die aktuellen Werke der beiden, die in unterschiedlichen literarischen Genres angesiedelt sind. Während sich Edelbauers „Routinen des Vergessens“ (Cotta 2024) auf poetische Weise all dem zuwendet, was die Lesenden nicht zu Gesicht bekommen und damit einen Zwischenraum ausleuchtet, behandelt Cejpek in „Du siehst Gespenster und nichts in der Minibar“ (Sonderzahl 2024) in Form einer kulturwissenschaftlichen Recherche, die in eine fiktive Geschichte eingebettet ist. Stefan Schmitzer wird in das Werk der beiden einführen.
Im Namen von Barbara Rauchenberger und Stefan Schmitzer lade ich Sie/Dich herzlich zu diesem Literatur-Hotel-Abend ein!
Ein schönes zweites Adventwochenende,
Ihr
Johannes Rauchenberger
Raphaela Edelbauer, *1990, hat inzwischen zwei Poetiken und drei höchst erfolgreiche Romane geschrieben. Zuletzt war sie mit „Die Inkomensurablen“ 2023 auf der Longlist des deutschen Buchpreises.
Lucas Cejpek, *1956, arbeitet als Autor, Herausgeber und Regisseur, und ist besonders bekannt als Verfasser zahlreicher Hörspiele und Kunstradiostücke.
Das eine ist ein erzählender Text, der aber von Kunstrezeption und -theorie handelt; das andere, als Poetikvorlesung, ein Theorietext vom Erzählen. Lucas Cejpeks „Du siehst Gespenster und nichts in der Minibar“ (Sonderzahl 2024) und Raphaela Edelbauers „Routinen des Vergessens“ (Cotta 2024) sind damit zwei Bücher, deren Inhalte fast genau gegenläufige Bewegungen darstellen. Das heißt, sie haben einen Überschneidungspunkt, und zwar: die Idee des Gespenstischen, des unvollkommen Vergessenen; den Gedanken an das, was just durch Verdrängung konserviert wird.
Lucas Cejpeks „Gespenster“-Buch inszeniert die Film-, Kunst-, Literaturgeschichte der letzten zwei Jahrhunderte als Summe von konkreten Flucht-, Vertreibungs- und Verdrängungsbewegungen, die oft aus Mittel- und Osteuropa nach Westeuropa und Amerika führen; Historien verwandelter literarischer Stoffe als kollektiv wahnhaft erinnerter Realgeschichte; Rechercheschnipsel, eingebettet in gerade genug fiktionale Rahmenerzählung, dass aus der ganzen inneren Suchbewegung eine Geistergeschichte wird. Ein Geist ruft den Icherzähler ganz zu Beginn in seiner leeren Wohnung beim Namen. Der Rest des Buchs ist lesbar als Versuch, die mysteriöse Stimme zu benennen.
Raphaela Edelbauers Poetik „Routinen des Vergessens“ geht – als Problemlösungsstrategie beim Schreiben wie als Rezeptionsmodus – auf die Wahrnehmungsverschiebung hin, die eintritt, wenn wir in den ästhetischen Setzungen innerhalb eines literarischen Werks Akte des Vergessens, der Subtraktion, der Löschung sehen. Es fragt sich dann, auf Leser*innen wie auf Autor*innenseite: was wird gelöscht? – Anmalen als Vergessen der weißen Wand, sagt Edelbauer; Licht als Vergessen der Dunkelheit; Wahrnehmen des Großen Ganzen eines Werks als Vergessen des je bestimmten Details. So ein Vergessen der guten Ordnung der Dinge in der Welt befreit nach der einen Richtung hin zum neuen Hinschauen – nach der anderen Seite fixiert es die Ordnung als gespenstischen Negativabzug.
(Wie) Kommentieren sich diese beiden Bücher? Sind sie zueinander wie Argument und Beispiel? Oder widersprechen sie sich?
Zum Nachhören – in unserem YOUTUBE-Kanal
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