Anmerkungen eines Nachbarns zum Abgang von Kunsthaus-Direktorin Barbara Steiner
Die Bombe ist gestern Abend über Facebook durch Kulturlandesrat Drexler geplatzt: „Kunsthaus-Direktorin Barbara Steiner verlässt Graz“. Und der Herr Landesrat streute ihr, untermalt mit einem schönen Bild, Rosen. Eine halbe Stunde später zog der zweite Eigentümervertreter, Stadtrat Günter Riegler, nach. Der war ein bisschen verhaltener – und vielleicht dadurch auch ehrlicher: „Dr. Barbara Steiner wird neue Direktorin und Vorständin der Stiftung Bauhaus Dessau. Ich gratuliere zu dieser neuen Aufgabe und wünsche ihr für die neue Funktion alles erdenklich Gute!“ Und ein Bild mit den beiden Eigentümervertretern, in der Mitte die Direktorin. Foto: Kunsthaus.
Und die Kleine Zeitung wusste bald darauf auch online zu berichten. Und wagte gleich so Sätze wie: „wer wird sich in Stellung bringen?
Hm.
Es drängt mich dazu, etwas zu sagen. Erstens bin ich Interessierter an der Kultur dieser Stadt. Zweitens bin ich Kulturbeirat des Stadtrats. Drittens bin ich Nachbar – es sind nur drei Minuten bis zum Kunsthaus. Viertens habe ich einmal – im Jahre 2018, bei der – von der Diözese und Joanneum auf Augenhöhe realisierten – Ausstellung „Glaube Liebe Hoffnung“ – mit Barbara Steiner, ihrer Stellvertreterin und Chefkuratorin Katrin Bucher, und folglich auch dem gesamten Kunsthaus-Team, intensiv zusammengearbeitet: Das war die schönste und respektvollste Kooperation, die ich je erlebt hatte.
Ich werde Barbara zwar auch gratulieren. Aber soweit ich sie kennengelernt habe, ist sie keine Karrierestute. (Man verzeihe mir die Bezeichnung, aber die mediale (Bild-)sprache zu ihrem Abgang lässt solche Worte entstehen.) Im Gegenteil: Die Steiermark, die Stadt Graz und das Kunsthaus Graz verlieren mit Barbara Steiner zunächst einmal eine außerordentliche Leiterin.
Mich drängt es, ihr zuallererst zu DANKEN. Sie hat Internationalität und Regionalität so selbstverständlich miteinander vernetzt und gelebt, wie man es sonst nur sehr gern in Aufsichtsräten und Leitbildlyriken fordert. Sie hat in einer Weise angepackt, dass einem mitunter der Mund offen blieb. Ihrer Energie konnte man selten das Wasser reichen. Ihr Reden und Kommunizieren waren immer von einem großen Respekt und einer Neugierde getragen. Kunst, so habe ich sie kennengelernt, ist für sie vor allem auch ein Kommunikationsmedium, um die Gesellschaft zu gestalten, sie vielleicht auch besser zu machen, jedenfalls aber ein Ort, wo Kräfte sichtbar werden, die die Gesellschaft (und mit ihr die (Kultur-)Politik) bitter nötig hat.
Sie wollte das Kunsthaus – das bei ihrem Amtsantritt nun wirklich noch nicht in die Jahre gekommen war – weiter für das Publikum öffnen und freundlicher machen: Das waren nicht nur die Ausstellungen, die in der Zeit ihrer Leitung entstanden sind (und noch entstehen werden). Sie hat das Cafè verlegt und allein durch den Standortwechsel hin zum Südtirolerplatz das Blatt der Wohlfühlzone massiv gewendet. Sie hat eine Beschriftung an der Außenfassade und im Haus eingeführt („WELCOME. WELCOME. WELCOME“), notwendige Absperrbänder in einem derartigen Haus hat sie mit dem Charme künstlerischer Beauftragungen bewältigt.
Und sie hatte, noch einmal, keine Scheu, mit allen möglichen Gesellschaftssegmenten dieses Landes in Kontakt zu treten. Sie hatte damals auch keine Scheu, bei „800 Jahre Diözese Graz-Seckau“ in allen möglichen Gremien dabei zu sein, ihr ganzes Wissen zur Verfügung zu stellen. Sie wollte, wie sie damals im Blog schrieb, kein „Kirchenbashing“, und doch konfrontierte sie „die Kirche“ mit ihren dunklen Rollenbildern, Schuldverstrickungen, LGBTIQ…-Communities, Machtstrukturen. Aber es war im besten Sinne ein lebendiger, auch auf-klärender Prozess – im Nachhinein war es für alle Beteiligten die schönste Zusammenarbeit überhaupt. Dem eigenen kuratorischen Arbeiten haben wir uns etwa gemeinsam mit Katrin Bucher Trantow in einem wochenlang geführten schriftlichen Gespräch, aus dem dann auch ein Buch wurde, vergewissert.
Zuletzt hat sie mit ihrer ganzen „Hingabe“ sich der Steiermark-Schau verpflichtet gefühlt: Es ist eine großartige Schau! Vom Ansatz her ein bisschen ähnlich wie damals, als wir uns mit dem Überthema „Glauben wir an unsere Zukunft?“ beschäftigt haben. Nur eben mit dem Budget einer Steiermark-Schau phantastisch eingelöst! Man sollte sich die Zeit nehmen, über das Gaming, die Pflege, die künstliche Intelligenz usw… künstlerisch etwas zu erfahren.
Die Ausstellung im Kunsthaus Graz ist jedenfalls deutlich anders, als es die mit Polit-Monologen durchsetzte Online-Eröffnung der handelnden Männer mit der bekannten Schauspielerin suggerierte!!
Und damit sind wir wieder bei der medialen (Bild-)Vermittlung. Und es muss die Frage in den Raum gestellt werden, wie es sein kann, dass jemand, der sich so sehr der Sache hingeben kann wie Barbara Steiner, nach einem derartigen Projekt wie jetzt der Steiermark-Schau, einfach „geht“. Ich weiß, in einer derartigen Situation gibt es Codes der öffentlichen Reaktion. Man beglückwünscht sie zu ihrer neuen Aufgabe und wünscht ihr alles Gute.
Ja, wir verlieren mit Barbara Steiner eine den Menschen in diesem Land sehr zugetane Kunstfachfrau. WIR HABEN IHR ZUALLERERST ZU DANKEN, finde ich. Sie hat (mit ihrer Chefkuratorin Katrin Bucher!) und dem Kunsthaus-Team ein tolles Haus geleitet.
Johannes Rauchenberger