Jahresrückblick 2021
Die Herbst-/Winterausstellung des bulgarischen, in Paris lebenden Künstlerpaars ninavale (NINA Kovacheva und Valentin Stefanoff) musste nur wenige Tage nach der Eröffnung aufgrund des Winterlockdowns 2020/21 länger schließen, die Ausstellung, die schon im Titel auf die aktuelle Situation reagierte („Paradise Is Temporarily Closed. (GOD)“) wurde bis zum 13. Februar 2021 verlängert und vor allem in Form von Miniführungen im virtuellen Raum vermittelt. Einzelne Themenstellungen wurden herausgegriffen und in den sozialen Medien eingespielt. Die Ausstellung hatte sehr großen medialen Erfolg incl. größerer TV-Sendungen. Auch ein Katalogbuch ist zur Ausstellung erschienen. Die gesamte Ausstellung konnte zudem in die Sammlung des KULTUM überführt werden.
Ein ebenso, wenn nicht noch größerer Ausstellungserfolg war die darauffolgende Ausstellung des französischen, in Berlin lebenden Künstlers Guillaume Bruère, der mit der Ausstellung: DEAD&ALIVE. Alte Meister vom 5. März bis zum 8. Mai 2021 mit rund 70 Werken christlich konnotierte Werke aus der Kunstgeschichte neu interpretierte. Es gibt wohl kaum einen Künstler im internationalen Kunstgeschehen, der sich mit einer derartigen Durchsichtigkeit und Zerbrechlichkeit der "alten" Gestalten des Christentums annimmt, wie Guillaume Bruère. Das KULTUM zeigt diesen "Van Gogh der Gegenwart" mit seinen neuesten Arbeiten zur Fasten- und Osterzeit 2021, die zum zweiten Mal von der weltweiten Pandemie bestimmt war. Dennoch war die Ausstellung besonders gut besucht und erfreute sich ebenso besonders hoher medialer Resonanz. Ein fast 9-minütiger ORF-Orientierungsbeitrag vermittelte die Ausstellung mehr als 80.000 Zusehern.
Besonders erfreulich: Elf der insgesamt 70 Werke werden über ein Sonderbudget der Diözese im Jahr 2022 für das entstehende Museum für Gegenwart, Kunst und Religion im KULTUM erworben. Ein Katalogbuch steht kurz vor der Vollendung.
Die für viele so beschwerliche, mit zahlreichen Ängsten umwobene und die Gesellschaft so spaltende Corona-Zeit einerseits und die umfassende und in vielerlei Hinsicht für die konkreten NutzerInnen vor Ort auch sehr aufreibende Baustelle wurde mit einem großen Jahresschwerpunkt mit dem Thema ATEM künstlerisch bearbeitet. Es begann mit Uraufführungen in Neuer Musik und Literatur in einer Pfingstvigil in der Grazer Herz-Jesu-Kirche und wurde wenige Tage später mit der großen Gruppenausstellung EINATMEN – AUSATMEN, die mitten in der Baustelle eröffnet wurde, fortgeführt: Kuratiert wurde diese von Gastkuratorin Katrin Bucher Trantow (Chefkuratorin Kunsthaus Graz) und KULTUM-Kurator Johannes Rauchenberger. Teilnehmende KünstlerInnen waren: Marina Abramovic/Ulay, Michael Endlicher, VALIE EXPORT, Heribert Friedl, Julie Hayward, Anna Jermolaewa, Agnieszka Kalinowska, Isabella Kohlhuber, Maria Lassnig, Christiane Peschek, Ferdinand Penker, Werner Reiterer, Michael Triegel, Liesl Raff, Nina Schuiki, Markus Wilfling, Daniel Amin Zaman. In zahlreichen Führungen wurde diese Ausstellung vermittelt, sie war ein großer, auch medialer Erfolg.
Ihren Abschluss fand sie mit der künstlerischen „Einweihung“ des Neuen Minoritensaals am 12. November mit dem Titel „neu, ATEM, neu“. Der Tag begann mit Respiratory Democracy, einem von Florian Traussnig kuratierten Diskurs-Panel: Was ist eine „atmende Demokratie“? Diese Frage stellten wir uns am Ende der Ausstellung EINATMEN - AUSATMEN. Über Atem und Atemlosigkeit in Kunst, Philosophie und Gesellschaft sprachen die Kunsthistorikerin Linn BURCHERT, die Germanistin Nikola Roßbach und der Philosoph Lenart Škof.
Er wurde mit einem künstlerischen Abend im neuen Minoritensaal fortgeführt, in dem alle in Auftrag gegebenen Texte und Musikstücke uraufgeführt wurden: Büchner-Preis-Trägerin Felicitas HOPPE las im Saal, gefolgt von einem von Literatur-Kuratorin Barbara Rauchenberger gelesenen Text des ebenso mit dem Bücher-Preis ausgezeichnete Arnold Stadler. Darüber hinaus waren noch Gedichte des Leipziger Lyrikers und Theologen Christian Lehnert, gelesen von Daniel Douenis, und der Wiener Schriftstellerin Margret KREIDL zu hören, deren Gedichtzyklus „EINLEUCHTEND WEISS“ (in Auszügen) von den Komponist*innen Sanziana Dobrovicescu, Clemens Nachtmann und Antonis Rouvelas vertont wurde. Die Mezzosopranistin Klaudia Tandl und das ENSEMBLE AIRBORNE EXTENDED haben die Werke wunderbar interpretiert: Die Wochenzeitung "DIE FURCHE" hat in ihrem Feuilleton den ganzen Text Margret Kreidls abgedruckt. Der ORF (Orientierung) sendete einen weiteren langen Beitrag zur Ausstellung und zur Einweihung des Areals, alle Medien berichteten umfassend.
Die darauffolgende Einzel-Ausstellung „MUTTER GOTTES“ von Judith Zillich wurde eine Woche später, am 18. November 2021 eröffnet. Niemand konnte zu dem Zeitpunkt erahnen, wie aktuell dieser Stipendienaufenhalt der Künstlerin in Lwjiw (Lemberg) in der Ukraine wenige Tage nach dem Ausstellungsende am 12. Februar 2022 werden würde.
Die anderen Sparten litten besonders unter den Zugangsbeschränkungen und den Lockdowns, sodass ein beträchtlicher Teil der geplanten Programmpunkte verschoben und auch abgesagt werden musste.
Was durchgeführt werden konnte: Die im Herbst 2020 von Barbara Rauchenberger neu gestartete Literatur-Reihe "Der doppelte Gast": Nach der Öffnung war am 16. Juni 2021 Kerstin Preiwuß und Nadja Küchenmeister und am 25. Juni Christoph Wenzel und Karin Fellner zu Gast. Im Herbst folgten in dieser Reihe dann Margret Kreidl und Tom Schulz (24. Sept. 2021), Ulrich Koch und Thomas Kunst (8. Okt. 2021), sowie Ursula Krechel und Daniela Danz (22. Okt. 2021). Ebenso waren in der Reihe „Es federt“ die Auftragswerke zu ATEM an Arnold Stadler, Felicitas Hoppe, Margret Kreidl und Christian Lehnert am 12. November zu hören. In der Reihe „LITERATUR gegenüber“ haben wir am 9. Juni 2021 die Grazer Stadtschreiberin Jana Radičević und Andrea Grill eingeladen, der zweite Abend musste aufgrund des Lockdowns verschoben werden.
Aufgrund der abgesagten DIAGONALE 21 haben wir die dort geplante Podiumsveranstaltung 'Auf der Flucht – Be on the Run' am 11. Juni 2021 abgehalten, die Preisverleihung für den vom KULTUM gestifteten Preis für den besten Kurzdokumentarfilm auf der Diagonale 21 in der Höhe von 4000 Euro an Sophie Gmeiner für ihre Kurzdoku „Gini und Resi“ fand am 23. September 2021 statt.
Ein besonders großer Erfolg waren die vom KULTUM. Zentrum für Gegenwart, Kunst und Religion in Graz initiierten und veranstalteten, von Neue Musik-Kurator Christoph Renhart kuratierten Tage der neuen Klaviermusik Graz, die vom 10. bis 12. Juni 2021 stattfanden. Das dreitägige Festival umfasste vier Konzerte, einen Kompositions- und Interpretationswettbewerb und eine Festrede zur Entwicklung der Klaviermusik im 21. Jahrhundert. Interpretiert von steirischen PianistInnen wurden herausragende Kunst aus der Region, neue Strömungen und innovative Ideen im Komponieren für dieses so traditionsreiche Instrument präsentiert. Kooperationspartner waren die Kunstuniversität Graz und die Österreichische Gesellschaft für zeitgenössische Musik. Am ersten Tag nach dem Dezember-Lockdown (13. Dezember 2021) fand das Konzert des Studio DAN statt: War das Programm 2020 nur online als Stream aus dem Wiener Porgy & Bess zu sehen, so war es nun im renovierten Minoritensaal erstmals live – mit strengen Corona-Auflagen.
Die neu konzipierte Diskursschiene reüssierte neben dem ATEM-Schwerpunkt mit einem Abend über „Gnostische Engel“ im US-Kapitol? am 27. September 2021: Nach instruktiven Einführungen der Religionswissenschaftlerin Theresia Heimerl und der Germanistin Alexandra Rassidakis diskutierten die beiden Vortragenden mit dem Romanisten Werner Helmich und Moderator Florian Traussnig über die Frage nach dem “impact” der gnostischen Lehre(n) und der „Provokation der Gnosis“ und stellten dabei Bezüge zu zeitgenössischen Literaturen und Diskursen her. Mit „Wieviel Anarchie brauchen wir?“ wurden am 6. Oktober 2021 anhand der Krisen und Demokratie-Stresstests unserer Gegenwart ein Nachdenken über alternative Gesellschaftsmodelle angeregt. Eines davon ist das Versprechen eines besseren Lebens durch konstruktives Chaos, sprich: durch Anarchie. Was macht das anarchistische Denken aus? Welche anarchistischen Verhaltensmuster tun unserer Lebenskunst gut? Zur Einführung hat sich Wolfgang Bortlik in einem Impulsvortrag instruktiv dem Thema angenähert. Dazu las Hans Platzgumer Passagen aus seinem kommenden Roman Taishô. Die beiden Autoren haben danach mit der gesellschaftspolitisch engagierten Betreuerin im Wohnungs- und Obdachlosenbereich Sonja R. und mit Moderator Florian Traussnig über die Aktualität und Sinnhaftigkeit des anarchistischen Denkens diskutiert.
Schließlich ging die Video-Reihe „AM ABGRUND“ ONLINE: Sie stellte die Frage, ob uns, den westlichen Demokratien, in Fragen wie Klima, Corona oder – siehe jüngst die USA – Wahlergebnisse die „gemeinsame Realität“ abhanden zu kommen droht? Drohen wir, in einen erkenntnistheoretischen Abgrund zu fallen? Braucht es daher eine „handfeste“ Wende zu mehr Faktizitätsbejahung? Oder braucht es ein tieferes philosophisches Verständnis über Erkenntnis und Erkenntnisprozesse? AM ABGRUND, so der Titel der Diskursreihe, warf mit 3- bis 4-minütigen Video-Statements aus verschiedenen Disziplinen unterschiedliche Blicke auf diese Fragen.
Im Jahr 2021 konnten im Ressort Junges Publikum Covid-bedingt nur 2 Theaterproduktionen und ein Kunstworkshop stattfinden. Die für Jänner 2021 fixierte Wiederaufnahme von „Ein Schaf fürs Leben“ / Follow the Rabbit wurde zunächst auf Dezember 2021 verschoben und im Dezember abgesagt. Nach einigen Monaten Pause auf Grund von Covid fanden im Juni 2021 Buchpräsentationen und Kunstworkshops mit Illustratorin Christine Kastl statt. Im Rahmen des Projekts „Denn das Lama kennt kein Drama“ entstand in Kooperation mit dem Grazer „Büchersegler“ ein Kinderbuch, das jeweils vor den Kunstworkshops von Martin Brachvogel (Follow the Rabbit / Graz) präsentiert wurde. Im Herbst konnte Theater gespielt werden. Zwei Stücke fanden statt: „Frau Meier die Amsel“ / Mezzanin Theater im September 2021 und „Kasperl und die Mondlaterne“ / Puppentheater Bavastel im Oktober 2021. Die für November 2021 geplante Österreichpremiere des Stücks „D’Ärdgeiss“ der Schweizer Puppenspielerin Margrit Gysin, wurde auf März 2022 verschoben.
2021 wurde ein Programm-„Pixi“-Buch für Herbst / Winter produziert. Zusätzlich dazu gab es für die durchgeführten Veranstaltungen Plakate und für „Denn das Lama kennt kein Drama“ eigene Flyer.