Trauer um Gerhard Larcher (1946–2022)
Für Gerhard Larcher war die Kunst ein bedeutsamer Ort theologischer Erkenntnis: das letzte Mal, als dies als Schwerpunkt unter Kolleg*innen der österreichischen systematischen Theologie erörtert wurde – im April dieses Jahres im Kleinen Minoritensaal – wurde extra für Gerhard Larcher von seinem ehemaligen Assistenten Prof. Christian Wessely eine "Privatleitung" nach Absam gelegt, damit er den Vorträgen noch folgen konnte: Gestern, am 18. Dezember 2022 ist em. Univ. Prof. Dr. Gerhard Larcher nach langer, schwerer Krankheit in Absam verstorben.
Die deutschsprachige systematische Theologie verliert mit Larcher einen großen Geist. Larcher war ein dialektisch denkender, großer Fundamentaltheologe: Als ehemaliger Assistent von Hermann Joseph Pottmeyer an der Ruhr Universität Bochum hat er kompromisslos eine Fundamentaltheologie gelehrt, die sich an den Dramen der Moderne abarbeitete: Der "Tod Gottes", wie ihn Friedrich Nietzsche mit der Parabel vom tollen Menschen verbreitet hatte, hatte ihn als Fundamentaltheologen massiv berührt: Dieses fundamentale Drama hat er seinen Studierenden weitergegeben. Mit allen nur möglichen denkerischen Mitteln hat er versucht, die Vernünftigkeit des Gottesgedankens für den Menschen des späten 20. und des frühen 21. Jahrhunderts zu vertreten. Dabei hat er den Begriff einer "ästhetischen Vernunft" geprägt und hat damit die Rolle der Kunst und der ästhetischen Erfahrung als fundamental für moderne Theologie festgehalten. Er hat „Prologomena zu einer theologischen Ästhetik“ geschrieben, die für die Fundamentaltheologie von großer Bedeutung sind. Von Beginn seiner Tätigkeit als Professor für Fundamentaltheologie in Graz an (ich war damals sein erster Diplomand und später war er auch mein offizieller Doktorvater) ließ er sich auch von seinen Studierenden inspirieren – wenn man etwa von einem Freisemester neue Inspirationen in das Privatissimum einbrachte, so war das höchst willkommen: Das ist ein dankbarer Blick zurück, wie Larcher junge Menschen gefördert hat. Seine Privatissima mit dem ihm freundschaftlich verbundenen Univ. Prof. Dr. Karl Matthäus Woschitz waren legendär: Hier wurden Beziehungen geknüpft, die mitunter ein Leben lang hielten.
Gerhard Larcher förderte an seinem Institut Kunst, Film, theologische Ästhetik – es ist schön, dass seine Nachfolgerinnen (Isabella Guanzini, Martina Bär) diese Spur weiterbetrieben haben und weiter betreiben. Früh erhielt Michael Haneke über sein Institut den theologischen Ehrendoktor der Katholisch Theologischen Fakultät der Universität Graz. Franz Grabner hatte jahrelang an seinem Institut den zeitgenössischen Film gelehrt, Christian Wessely hat diesen Schwerpunkt fortgeführt. Zur Zeit der II. Europäischen Ökumenischen Versammlung (1997) stellte uns (Alois Kölbl und mir) Gerhard Larcher einen Raum seines Instituts zur Verfügung, um die Ausstellung „entgegen. ReligionGedächtnisKörper in Gegenwartskunst“ zu organisieren; er war auch Mitherausgeber des gleichnamigen Buches im Cantz-Verlag.
Mit seiner Frau Elisabeth Larcher gründete Gerhard Larcher den Arbeitskreis „KunstRaumKirche“; zahlreiche Ausstellungen wurden – in Kooperation mit Propst Florian Huber von der Innsbrucker Domkirche – dadurch in Innsbruck ermöglicht. Begonnen hatte es in den frühen 1990er Jahren mit dem Herz-Jesu-Kunstpreis des Landes Tirol, den Larcher mit großem Einsatz betrieb. Immer verfolgte er auch mit großem Interesse die Erfolge seiner Schüler. Dem Kulturzentrum bei den Minoriten stand Gerhard Larcher auch viele Jahre als Beiratsmitglied zur Seite, stets verfolgte er unsere Arbeit mit großem Interesse und Anteilnahme. Als Präsident der Europäischen Gesellschaft für Theologie hat Gerhard Larcher auch seine Verknüpfungsarbeit auf europäischer Arbeit geleistet – er war im Rückblick vielleicht der erste Theologe, der die Grazer Fakultät an den gesamtdeutschsprachigen, ja europäischen Diskurs angeschlossen hat. Dafür hat er viel getan, ist viel gereist, hat an unzähligen Symposien und wissenschaftlichen Kolloquien teilgenommen, legendär sind auch seine Verspätungen gewesen, (die oft einem verspäteten Zug geschuldet waren): Manchmal war der Vortrag, zu dem er 15 Stunden lang angereist war, gerade vorüber, als Gerhard Larcher den Saal betrat…
Larcher war nie effekthascherisch, seine Sprache war zwar kompliziert, sein Herz aber war immer am rechten Fleck. Es war offensichtlich, dass man es mit einem aufrechten, ehrlichen, sympathischen Tiroler zu tun hatte. Über Jahrzehnte war er von Absam, dem Haus, das er mit seiner Frau Dr. Elisabeth Larcher bewohnte, nach Graz gependelt. Der Zug war sein zweites Zuhause.
Als bereits am Ende seiner Tätigkeit als aktiver Professor seine furchtbare Krankheit sich abzeichnete, hat er zum Abschied 2014 von einer „Theologie des Lebens“ gesprochen: Dieser ist er treu geblieben, bis zum Schluss hat er Bücher verschlungen und hat sich geistig am theologischen Diskurs beteiligt. Fast zehn Jahre hat Gerhard Larcher in einem zunehmend verfallenden Körper gelebt. Seiner Frau Elisabeth, die ihn in den letzten Jahren aufopfernd gepflegt hat, gilt unsere tiefe Anteilnahme und ein großer Respekt.
Ich verdanke meinem Lehrer Gerhard Larcher sehr viel und werde ihm stets ein ehrendes Gedenken bewahren. Ewiges Licht leuchte dir, Gerhard!