Neue Programmzeitung: Unser Programm von April bis Juli 2023
Herzlich willkommen zum Frühlings- und Sommerprogramm im KULTUM. Zugegeben, das Cover verrät Spätsommer. Oder Trockenheit. Das mächtige Bündel von Königskerzen, das am Beginn unserer neuen Ausstellung die Besucherinnen und Besucher empfängt, ist das Entree einer Schau, die die mächtige, die schöne, die bedrohte Natur im Zentrum hat: „GEHEN und VERGEHEN“ führt uns Zeit, Zeitlichkeit und unser aktives Gestalten, Tun und Handeln vor. Wilhelm Scheruebl hat hier eine Synthese seines bildnerischen Könnens vorgelegt, das sich in vielfacher Hinsicht verweben lässt mit den Nöten und mit der Schönheit zugleich, die uns in den Zeitspannen von (eigenen) Biografien, kultischen Räumen (er gestaltete 2020 zum Beispiel auch den Altar, den Ambo und die Kathedra des Grazer Doms!), ja sogar Erdzeitaltern entgegentreten. Es sind große Muster, die sich dabei eröffnen – wenn man sie denn sehen, ja erkennen will. Dabei ist Scheruebl, der in den Bergen von Radstadt sein Atelier hat, eigentlich nur ein Geher in der Natur mit offenen Augen. Und begabt, dabei zu gestalten, wenngleich er der Natur selbst in der Gestaltung seiner Kunst meist den Vortritt lässt. Vieles, sehr vieles sogar– Sie werden es wahrscheinlich auch am Text zur Ausstellung merken – ist sehr bewegend, vor allem, weil es so unaufdringlich daherkommt. Ich wünschte, Sie sehen das auch so, wenn Sie am 29. April zur Vernissage, zu aktuelle kunst in Graz oder an einem anderen Tag in die Ausstellung kommen.
Denn mir wird immer klarer, dass es die Verknüpfungen sind, die die Kunst, die Literatur, die Musik zu legen im Stande sind, die uns Erkenntnis, Freude und Sinn vermitteln. An eine ganz andere Verknüpfung – die Zeit gebietet es - sei hier erinnert: Am 11. April war es der 20. Jahrestag, dass wir bei „Graz 2003 – Kulturhauptstadt Europas“ „HIMMELSCHWER. Transformationen der Schwerkraft“ eröffnet haben. Sie erinnern sich an Anthony Gormleys Figuren im Hof des Priesterseminars? Oder die „goldenen Leitern“ der Maaria Wirkkala, die sich aus den Altstadtdächern des Landhauses oder der Grazer Burg erhoben … Das ganze Joanneum wurde von uns zum Thema Schwerkraft bespielt, mit Werken von Anish Kapoor, Richard Serra, Giovanni Anselmo oder Robert Morris. Und mit „alten“ Werken christlicher Kunst, sogar aus dem Vatikanischen Museum. HIMMELSCHWER! Wie nachhaltig war doch letztlich diese Ausstellung für unser Verständnis, Kunst und Religion auf der Ebene von Gegenwartskunst zu verhandeln. Wie viel ist seither doch passiert. Kein Spaß: Mittlerweile könnten wir mit unseren Werken sogar die Moderne-Abteilung des Vatikanischen Museums bespielen – dieses hätte es bitter nötig, wenn es den Auftrag von Papst Paul VI. – er gründete am 23. Juni 1973 das „Museum moderner religiöser Kunst“, also vor 50 Jahren – ernst nehmen würde, ihre dort gezeigte Kunst in das 21. Jahrhundert zu führen. Immerhin: Ein Konzept, wie ich das machen würde, habe ich, nachdem ich darum gefragt worden bin, runter geschickt… Aber, wie endete mein Vortrag bei „Iconic Turn“ (Vgl. S. 30)? „Es muss ja nicht gleich sein. Wir haben Zeit. Die Werke haben Zeit.“
Derzeit bricht in Kirche wie Gesellschaft so vieles ein: Es wird die Kunst gewesen sein, die von dieser Zeit angemessen Auskunft gegeben haben wird! Fleeding shadows... Oder die, des Futurs zwei zum Trotz, am Ende motiviert zu handeln. Und die hoffentlich auch Widerstand leisten wird, auch gegen die Gotteskrieger aus den eigenen Reihen, nicht nur gegen die Götter in der „Welt“. Manchmal, so hat man das Gefühl, rasen Disruptionen vorbei, dass einem der Mund offenbleibt und man einfach nur nachstarrt.
Deshalb: Ein Lob auf das Innenhalten. Auf die Stille. Auf das Wenige. Auf Lyrik zum Beispiel, die in diesen Monaten verdichtet auftritt: Drei Mal DER DOPPELTE GAST: Kirstin Schwab und Julia Costa (18. April; S. 16) Petra Ganglbauer und Auguste Laar (10. Mai; S. 20), Volha Hapeyeva und Matthias Görlitz (1. Juni; S. 21). Großer Tipp: Das LITERATUR HOTEL im KULTUM ist mit Laure Gauthier und Olivier Mellano am 28. April (S. 17) und mit den „Tagen der afrikanischen Literaturen“ vom 5.–7. Mai (vgl. S. 18f) mit Spitzenveranstaltungen belegt.
Oder auch: ein Lob auf die kluge Rückschau: In: „Die Maschine trifft das Heilige“ liest in der Reihe Neu gelesen. Neu erzählt. Neu gemischt am 2. Mai Margit Linder Flavius Josephus‘ Text zum Jüdischen Krieg neu: Er hatte als Chronist einer dramatischen Zeit die religiösen und kriegerischen Erschütterungen einer Epoche erfasst und gedeutet. Was der wissenschaftlichen Tagung „ICONIC TURN“ im Februar fehlte, holt Wolfgang Ullrich am 20. Juni nach: Mit „Memes und der Ironic Turn“ spricht der bekannte Kulturphilosoph über die diskurs- und gesellschaftsprägende Kraft von Memes aus Social Media. Und dann wären noch die „Zweiten Tage der Neuen Klaviermusik“ am 2. und 3. Juni zu erwähnen, die diesmal Benedikt Alphart kuratiert. Und ein Kurzfilmtag für Kinder ab 4, Kunstworkhops und Theater. Willkomen bei uns!
Herzlichst: Ihr Johannes Rauchenberger