Menschen und Dämonen: Unser Programm mit dem herbst 23
Herzlich willkommen! Im Herbst 2023, der hier im Minoritenzentrum in mehrfacher Hinsicht auch ein „steirischer Herbst“ ist, nicht als Markierung von Identität – „steirisch“ – sondern im Sinne einer Marke: steirischer herbst. Seit 21. September ist hier – bis 15. Oktober – die CHURCH OF RUINED MODERNITY ausgegraben, anschaubar im Hof, oder sie ist an die Wand geheftet, projiziert, im kleinen Minoritensaal, im Franziskussaal, im Dachboden des Minoritenklosters. Was für Orte!
HUMANS & DEMONS, das Motto des diesjährigen herbst, hat hier nicht zu Unrecht seine Station, einem Ort, der so viel Geschichte hat, der den „gefallenen Engel“ gleich an der Fassade der Mariahilferkirche präsentiert, der den Hüter des Beichtgeheimnisses im Kreuzgang gerade ganz weißlich präsentiert und der eine Heerschar von Engeln an die Decke des Minoritensaals positioniert hat. Kreative Reibungsflächen also. Wir freuen uns sehr, dass wir so etwas wie ein Gastgeber sein dürfen, mit einer Raumhülle, die, zwar frisch renoviert, aber doch alt ist, sehr alt, und der nun weniger alte Ansprüche – wie etwa die Moderne selbst – als Ruinen hineingesetzt werden. Sehr spannend. Ich freue mich. Dass dabei „Geister“ explizit beschworen werden, deckt sich mit unserem Arbeiten hier schon seit Jahrzehnten: Den nach der Renovierung entworfenen Ausblick, gerade auch den Dachboden mit Kunst zu bespielen, hat nun der herbst exemplarisch vorgeführt – so kann es gehen! Wie großartig. Wie schön. Man muss nicht viel tun in dieser Raumhülle, die dem Zeitgeist beharrlich trotzt. Und auch inhaltlich: Wenn die Fragen nach dem Guten und nach dem Bösen nicht gerade hier ihren zentralen Ort haben, wo dann. Gerade hier. Waren die Gründer die Guten oder die Financiers? Die Betreiber oder die Besucher? Na ja. Das wird uns noch beschäftigen in nächster Zeit.
Ob die Dämonen gegangen sind, oder bleiben, ob wir Menschen nicht nur als Humans, sondern als Spezies bald gegangen sein werden, oder ob wir bleiben – dazu haben wir alle etwas zu sagen, sollten uns jedenfalls dazu verhalten, wir selbst mit den je eigenen Biografien und Lebensentwürfen, wir als soziale Wesen mit unseren Bubbles, Communities, Vereinen, Parteien, Anschauungen, religiösen Überzeugungen, wir als politisch agierende Menschen oder eben Rezipierende oder Schaffende von Kunst.
Diese Aspekte sind in Peter Angerers Schau GOING & STAYING eingeschrieben, in der sehr Grundsätzliches über unsere Gegenwart gesagt wird – sie dauert bis zum 16. Dezember. Zu sehen sind über 350 (!) Einzelwerke, verteilt auf 14 Werkblöcke. Das ist jedenfalls so etwas wie ein Superlativ hier an unserem Ausstellungsort. Themenführungen und Künstlergespräche nehmen jeweils spezifische Aspekte auf. Oder Sie nehmen virtuelle Kurz-Einführungen (vgl. S. 16) wahr, damit können Sie den Geist dieser Schau auch zu Hause ansehen! In Heinz Trenczaks lang vorbereiter Schau „Kunst der Flucht – Kunst der Fuge“, die an 13 Orten in Graz stattfindet, zeigen wir im Oktober die „3400 Semmeln“ des Filmemachers selbst. Auch dieses Zeitdokument verschränkt sich mit den beiden anderen Ausstellungen hier.
Die beiden letzten Ausstellungen – GEHEN & VERGEHEN von Wilhelm Scheruebl und CINEMA ALTERA von Thomas Henke – sind jetzt auch in Form von Bucherscheinungen „nachlesbar“. Letztere ist eine besonders umfassende und opulente Publikation, die das Menschliche und Dämonische besonders tief beleuchtet: Am 13. Oktober wird sie bei uns präsentiert. Zugleich sind wir ungeheuer dankbar, dass Thomas Henke an diesem Tag sein ganzes filmisches Werk unserer Sammlung übergibt.
Einen Tag zuvor, am 12. Oktober, wird Karin Berger bei uns zu Gast sein, die den (vom KULTUM gestifteten) Preis für die beste Kurz-Doku auf der diagonale 23 erhalten hat. Nach dem Screening von „Wankostättn“ diskutieren die Regisseurin, Neo-Diagonale-Intendant Dominik Kamalzadeh und Zeithistoriker Florian Traussnig unter der Moderation von Natalie Resch „das geheime Leben des Archivmaterials“.
Zwei „Doppelte Gäste“ heißt Literatur-Kuratorin Barbara Rauchenberger mit Helwig Brunner willkommen: Margret Kreidl und Carolin Callies am 10. Oktober und Björn Kuhligk und Marcus Roloff am 23. Oktober.
Ob die moralischen Wetterdeuter der Vergangenheit Vorläufer der Klimaaktivisten sind, fragt der Byzantinist Johannes Preiser-Kapeller in der Reihe NEU GELESEN. NEU ERZÄHLT. NEU GEMISCHT am 17. Oktober.
Am 18. Oktober wird Andreas Wabls eben erschienenes Buch "WAS WURDE AUS DEN GRÜNEN?" bei uns im Minoritensaal vorgestellt. Mit ihm diskutieren Sandra Krautwaschl (Klubobfrau der Grünen im Steirischen Landtag) und Lena Schilling (Umweltaktivistin und Autorin)
Die mit der Fundamentaltheologin Martina Bär im Vorjahr begonnene Veranstaltungsreihe „Kunst im Krieg“ wird nun im Wintersemester mit der Reihe „Gender & Queer in Kunst und Religion“ fortgeführt – am gleichen Tag! Katrin Bucher-Trantow spricht am am 17. Oktober über Gender und Moral … Von Artimisia Gentilleschi bis Gelitin, Prof.in Dr. Marianne Koos am 24. Oktober über Queering the Renaissance. Ambiguität in frühneuzeitlichen Bildern von Männlichkeit.
Und Benedikt Alphart lässt am 19. Oktober das Studio Dan die Xenakis-Machine spielen: „Er, der Komponisten-Pilot, drückt die Knöpfe, gibt Koordinaten ein und überwacht die Steuerung eines kosmischen Schiffes, das im Klangraum segelt.“ So sah man das 1962, als der griechische Komponist Iannis Xenakis, erstmals mit dem entwickelten Computerprogramm FSM komponierte. In Zusammenarbeit mit dem Komponisten Christoph Ressi hat Studio Dan das Programm wiedererweckt und präsentiert neue Kompositionen der Xenakis Machine.
Bereits am 4. Oktober interpretieren Heinz-Peter Linshalm (Bass-Klarinette), Petra Stump (Bass-Klarinette), Kaori Nishii und Otto Probst (Klavier) in (CL)EAR STEPS AROUND THE PIANO Werke von Sebastian DUMITRESCU, Elisabeth HARNIK, Dana Cristina PROBST, Christoph RENHART, Petra STUMPAm 26. Oktober interpretieren Helena Sorokina (Gesang) und Marko Sala (Kontrabassklarinette) Werke von Vykintas Baltakas, Josiah Catalan, Marco Döttlinger, Gérard Grisey, Santa Ratniece, Giacinto Scelsi und Gundega Šmite.
Herzlich willkommen!
Ihr Johannes Rauchenberger