Rückschau 2023
Nach der langen und mit vielen Kuratorenführungen versehenen Ausstellung "DE PROPANGANDA FIDE. Überraschende Glaubenswerbungen der Katholischen Kirche" vom letzten steirischen herbst, die am 13. Jänner 2023 geendet hat, verwandelt sich das KULTUM in der Fastenzeit 2023 in ein „CINEMA ALTERA“: 25 Filmarbeiten des deutschen Medienkünstlers Thomas Henke sind in diesem anderen Kino – in Installationsbauten von Lorenz Estermann– gleichzeitig zu sehen. Menschen in existentiellsten Lebenssituationen werden filmkünstlerisch porträtiert: im Angesicht von Ungerechtigkeit, Ohnmacht, Missbrauch, Leid und Tod, auf der Suche nach Zuflucht, Befreiung, Ausdruck, Begegnung, Erkenntnis und Erlösung. Die Retrospektive zur filmkünstlerischen Porträtarbeit von Thomas Henke (meist in Zusammenarbeit mit Peggy Henke) umfasst Experimentalfilme und Video-Installationen der vergangenen 25 Jahre.
Es erschien im Hatje-Cantz Verlag eine 480 Seiten umfassende Publikation mit Texten zahlreicher Autor*innen, das am 13. Oktober 2023 im KULTUM vorgestellt wurde. Das gesamte künstlerische Werk von Thomas Henke wird dabei als Schenkung an das KULTUMUSEUM übergeben.
Zur Diagonale '23 zeigte das KULTUM die experimentelle Videoinstallation "Saphira" von Friedemann Derschmidtund Team, die einen kondensierten Einblick in die kunstbasierte Methode des „synoptischen Portraits“ des Künstlers bieten sollte. Es war eines von fünf Portraits, die ab Oktober 2023 im Haus der Geschichte Österreichs in Wien zu sehen war. Konzepte wie „Multidirektionales Erinnern“ (Michael Rothberg), „Postmemory“ (Marianne Hirsch), „Empathic Listeners“ (Aleida Assmann) stehen dabei Pate.
Die Frühlingsausstellung 2023 im KULTUM – „GEHEN & VERGEHEN“ – war einem Bildhauer gewidmet, der sich in den letzten Jahrzehnten an einem Skulpturbegriff abgearbeitet hat, der eng mit der Natur verknüpft ist: Wilhelm Scherübl. Der Künstler arbeitet in und mit der Natur, die ihm zur unbändigen Transformationsquelle von Energie, Kraft und Leben wird. Aus dem Gehen heraus entstehen künstlerische Arbeiten, sie werden daraus entwickelt und daraufhin reflektiert. Ver-Gehen zeigt das Verschwinden an. Oder eine Transformation: Die Ausstellung war vom 29. April bis 15. Juli 2023 zu sehen, es erschien ein von Johannes Rauchenberger verfasstes Katalogbuch in der art edition des VerlagsBibliothek der Provinz.
„FLEEING SHADOWS“ – eine lange vorbereitete Ausstellung des kanadischen Künstlers und Medienwissenschaftlers Henry Jesionka, traf vom 15. Juni bis 5. August auf die großen Krisenherde der Gegenwart: Vor dem beunruhigenden Hintergrund wiederkehrender nuklearer Bedrohungen durch Putin, angesichts der großen Migrationsprobleme der Gegenwart und angesichts der beispiellosen gesellschaftlichen Herausforderungen, die durch das Aufkommen künstlicher Intelligenz entstehen, hat die Ausstellung in drei präzise gestalteten Räumen ein Grabmal für J. Robert Oppenheimer, eine Ikone für Stephen Hawking, 3D-Skulpturen der Challenger Katastrophe von 1986 und eine "Elègie" für umgekommene Flüchtlinge im Mittelmeer in eine eindrucksvolle Schau verwandelt. Die Ausstellung fand in Kooperation mit dem Festival La Strada statt und wurde vom Innsbrucker Bischof Hermann Glettlereröffnet. Es erschien eine Katalogbroschüre mit Texten von Johannes Rauchenberger und Wenzel Mracek. Auszüge aus der Ausstellung waren in der Fastenzeit 2024 in der Universitätskirche in Innsbruck zu sehen.
Das Grazer Minoritenkloster wurde vom steirischen herbst '23 zur „Church of Ruined Modernity“ erklärt. „Church of ...“ klingt in der herbst-Semantik natürlich nach Schlingensief. Aber es wurde nicht eine „Church of Fear“ erneut beschworen, vielmehr eine Moderne zelebriert, deren sakraler Anspruch nur mehr Ruinen sind. Im Hof, im kleinen Minoritensaal, im Franziskussaal und – das besonders Spektakuläre an dieser Schau – im Dachboden des Klosters erzählten die „Humans und Demons“ von einer derart ruinierten Moderne: Zu ihr zählen Bauwerke ebenso, wie Weltanschauungen, die dämonisch waren. Und sind.
Die Ausstellung "CHURCH OF RUINED MODERNITY" des steirischen herbst ’23 wurde kuratiert von Ekaterina Degot, Pieternel Vermoortel und David Riff. Die gezeigten Werke waren fast alle Auftragswerke. Es waren Werke vonMaria Loboda, Meg Stuart, Andrea Büttner, Eteri Nozadze, Pavel Brăila und Cyprien Gaillard zu sehen.
Im Parallelprogramm des steirischen herbst zeigte das KULTUM eine große Personale des steirischen Künstlers Peter Angerer. Der in Frohnleiten lebende Künstler zählt zu den reflektiertesten und konsequent am Puls und den Fragestellungen der Gegenwart arbeitenden Künstlern der Steiermark. Ausschnitte seines viel zu wenig bekannten Oeuvres aus den letzten Jahren wurden in der Herbstausstellung des KULTUM vom 16. September bis 16. Dezember 2023 im Parallelprogramm des steirischen herbst gezeigt: GEHEN & BLEIBEN. Vorderhand waren es Serien von Druckgrafiken, doch es geht dabei fast immer um Fragen der Gegenwart, sein Selbstverständnis einer digitalen Gesellschaft und die mit ihr verbundenen Ambitionen von Transparenz, Kontrolle und Freiheitsbeschneidung. Mit insgesamt 360 Einzelwerken und 13 Werkblöcken wurden in kippenden Häusern, aus dem Lot fallenden Formen, verlorenen Bodenhaftungen und Zwischenräumen, die sich immer wieder öffnen, fundamentale Gegenwarts- und Existenzerfahrungen in Kunst übertragen und transzendiert. Zahlreiche Künstlergespräche begleiteten die Schau, die alle digital abrufbar sind.
In Heinz Trenczaks lang vorbereiter Schau „Kunst der Flucht – Kunst der Fuge“, die an 13 Orten in Graz stattfindet, zeigt das KULTUM vom 2.– 22. Oktober im CUBUS die "3400 SEMMELN. Flüchtende. Helfende. Menschen" des Filmemachers selbst.
Stille Bilder, Schrift-Ikonen von Sehnsucht und Trost, präsentiert das KULTUM zur Weihnachtszeit und zum Jahreswechsel: Vom 18. November 2023 bis 6. Jänner 2024 zeigt der (aus Feldbach stammende), in Wien lebende Künstler Heribert Friedl, seit Jahren für seine „nonvisualobjects“ bekannt, "100 POEMS". Sprachverdichtungen von ungeheurer Einfachheit und Schönheit sind in den letzten beiden Jahren in einer „Druckwelle“ von Inspiration entstanden. Ursprünglich aus einem Moment existenzieller Trauer begonnen werden die auf Englisch gehaltenen Poems (die meist nur aus einem Wort bestehen) zu berührenden „Nachrufen“ hinein in eine Welt, von der man nicht wissen kann, ob sie überhaupt existiert. Sie berühren gerade dadurch die Musikalität für den Glauben. Die auf kleinen MDF-Platten gemalten Wörter und Farbflächen weisen in ihrem Schriftschnitt auf eine andere Zeit, aber auch auf eine andere Geschlechter- und Glaubensordnung. Zu Beginn des Jahres 2024 wurde dabei ein kleines Buch publiziert, das die Anmutung eines Gebetbuchs hat. Alle Bilder konnten für die Sammlung für Religion in der Gegenwartskunst des KULTUM durch eine Sondersubvention erworben werden.
KULTUM-FILM: Der mit 4.000 Euro dotierte Preis für den Besten Kurzdokumentarfilm auf der Diagonale '23, seit 2015 gestiftet vom KULTUM Zentrum für Kunst, Gegenwart und Religion, ging an die Regisseurin Karin Berger für „Wankostättn“ (AT 2023, analog - 16mm, 37 min, dOF).
Filmschaffende Karin Berger, Festivalintendant Dominik Kamalzadeh und Zeithistoriker Florian Traussnig sprachen am 12. Oktober 2023 über die Arbeit mit Archivmaterial, Erinnerungen und das Loslassen und warum uns persönliche Geschichten immer berühren.
KULTUM-LITERATUR: In der Reihe „Doppelte Gäste“, die jeweils zwei Lyriker, Lyrikerinnen zu einer gemeinsamen Lesung zusammenführt, waren am 18. April 2023 Kirstin Schwab und Julia Costa, am 10. Mai 2023 Petra Ganglbauer und Augusta Laar, am 1. Juni 2023 Volha Hapeyeva und Matthias Göritz, am 10. Oktober 2023 Margret Kreidl und Carolin Callies, am 23. Oktober 2023 Björn Kuhligk und Marcus Roloff und am 17. November 2023 Thomas Ballhausen und Ferdinand Schmatz. Die Werkeinführungen hielt Kuratorin Barbara Rauchenberger, die anschließenden Autorinnengespräche führte der Schriftsteller Helwig Brunner, der die Reihe auch 2024 begleiten wird. Alle Lesungen wurden auch aufgenommen und sind auf dem KULTUM-Youtube-Kanal gespeichert und abrufbar.
In der Reihe „es federt“ war die Büchnerpreisträgerin Felicitas Hoppe gemeinsam mit dem Philosophen Thomas Macho und dem Pianisten Claudius Tanski am 16. März 2023 im Minoritensaal zu Gast, um über die Frage: „Was trauen wir der Kunst noch zu?“ zu diskutieren. Dieser Abend stand im Rahmen der filmkünstlerischen Portraitarbeit des Künstlers Thomas Henke, der zeitgleich mit 25 Filmen in im KULTUMUSEUM präsent war.
Die Reihe „LITERATUR HOTEL“, die Reisende mit literarischem Handgepäck einlädt, einen Abend in den Räumlichkeiten des KULTUMS zu verbringen, galt 2023 der französischen Lyrierin Laure Gauthier & dem Gitarristen Oliver Mellano: „Die Höhlenkörper Ein poetisches Konzert“ war ein bewegendes Singspiel über die Liebe, das Begehren, die „höhl.körper“.
Ferner waren im KULTUM wieder die „Tage der afrikanischen Literaturen“ zu Gast, dieses Mal unter dem Motto: „language crosses borders“. Ein dichtes und hochkarätiges Programm wurde im Kunsthaus Graz und im KULTUM vom 5. bis 7. Mai 2023 präsentiert. Kurator war Abdelaziz Baraka Sakin (Grazer Stadtschreiber 2022/23), moderiert wurden die Lesungen und Diskussionen wieder von Ass. Prof. Dr. Rémi Tchokothe. Gelesen haben Wilfried N'Sondé und Mihret Kebede, Ken Bugul und Stella Gaitano, Leila Aboulela und Precious Chiebonam Nnebedum.
Am 28. November 2023 lud die Slawistik-Professorin Tatjana Petzer mit „KLANG UND KLAGE" zu einem Benefizkonzert für die Ukraine: Klangbilder der Trauer, literarische Reflexion und audiovisueller Dialog verdichteten sich an diesem Abend in einer großen Intensität. Die eindrucksvollen Lamentationen von Hilde Kappes und Anna Petzer (Berlin), die Lesung mit Sofia Andruchowytsch (Kyjiw) und die audiovisuelle Performance mit Svitlana Zhytnya und Nick Acorne (Charkiw/Graz) wurden auch gestreamt und sind als solche auch archiviert.
Am 20. Jänner eröffnete das Konzert »Small Robots« des LIZARD Ensembles die Saison 2023 der KULTUM Neue Musik Sparte. Das mit Basszither, Akkordeon und Elektronik besetzte Ensemble aus Linz spielte Werke von Enrique Mendoza Mejía, Tobias Leibetseder, Katharina Klement, Max Riefer und Katharina Roth. Zugleich war dies die letzte, noch vom scheidenden Kurator Christoph Renhart oragnisierte Veranstaltung.
Kurz darauf folgte am 23. Jänner mit »high-end Low End” der kuratorische Einstand von Benedikt Alphart. Im, mit 60 Besucher:innen restlos ausverkauften Cubus wurde ein „Acousmonium“ – ein 16-„köpfiges“ Lautsprecherorchester – aufgebaut, mit dem elektronische Werke in Echtzeit von Roman Gavryliuk räumlich interpretiert wurden. Den umherschwirrenden Klängen gesellte sich auch der Kontrabass von Juan Pablo Trad Hasbun hinzu, mit dem er zwei neue Werke für Kontrabass und Elektronik der in Graz lebenden Komponisten Pablo Mariña und Sepher Karbassian interpretierte.
Am 22.Februar gestaltete KULTUM das Musikprogramm des Kunst-Aschermittwochsgottesdienst in der Grazer Kirche St. Andrä mit. Dem Thema Verletzlichkeit näherten sich dabei die beiden Geigerinnen Judith Fliedl und Alyona Pynzenyk mit Luigi Nonos fein, filigranem Werk »Hay Que Caminar - soñando«. Die, in die Liturgie eingebettete, Aufführung des dreiteiligen Werkes stieß auf positive Resonanz des Publikums, das besonders auch die „mutige“ Auswahl des musikalischen Rahmens lobte.
Ein weiteres erfreulich großes Besucher:innenaufkommen brachte das Gastspiel des Ensemble Schallfeld am 13. März 2023. Das Publikum (68 Personen) ließ es sich diesmal auch nicht nehmen, noch Plätze im Durchgang zum an den Cubus angrenzenden Ausstellungsraum zu finden, um dem, in Streichtrio-Stärke vertretenen Ensemble zu lauschen. Kurator Benedikt Alphart führte mit Interviews mit den anwesenden Komponisten Franck Bedrossian und Lorenzo Troiani durch den Abend, an dem außerdem noch Stücke von Salvatore Sciarrino und Giacinto Scelsi erklangen.
Ebenfalls im März (27.03.) präsentierte das Ensemble Zeitfluss unter der Leitung von Edo Micic sein Programm »Rain Coming« im Großen Minoritensaal. Dabei kamen Werke der in Graz bzw. Österreich lebenden Komponist:innen Shiqi Geng, Sophie Reyer und Orestis Toufektsis zur Uraufführung. Michaela Frühstück übernahm für die erkrankte Komponistin den Part der Sprecherin in Sophie Reyers »Balz und Engel«, in dem Literatur und Musik verschmolzen wurden. Das Konzert-titelgebende Stück von Tōru Takemitsu rundete den Abend ab.
Audiovisuelles bot am Pfingstsonntag (28.05.) das Konzert »Sappho, Desire, Love Unsung« der in Graz lebenden Komponistin Tamara Friebel. Im Abendfüllenden Stück »Awakened Flutters« erkundete die Komponistin mit Sopran (Kaoko Amano), Violine (Marianna Oczkowska) Elektronik und Video (beides Tamara Friebel) die Gedichtfragmente der alt-griechischen Dichterin Sappho.
Als wiederkehrender Fokus in unserer Programmgestaltung fanden 2023 bereits zum 2. Mal die »Tage der Neuen Klaviermusik Graz« von 02. bis 03. Juni 2023 statt. Das Festival, das diesmal im großen Minoritensaal stattfand, bot insgesamt vier herausragende Konzerte, die sich auch um die individuellen ästhetischen Schwerpunkte junger Pianist:innen mit Graz Bezug drehten. Neben den Solo-Recitals von Forrest Moody und Milica Zakic, die Zeitlichkeit und die vielfältigen Spieltechniken des Klaviers in den Fokus rückten, und dem Eröffnungskonzert in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für zeitgenössische Musik wurde das Festival erneut von einem Kompositions-Wettbewerb begleitet, dessen Finale im Rahmen der »Tage der neuen Klaviermusik« ausgetragen wurde. Die KUG-Student:innen Juan Sarmiento und Dilay Doğanay bekamen den mit jeweils € 500,- dotierten Jury- respektive Publikumspreis zugesprochen.
Neben den hervorragenden Pianist:innen, der tollen Akustik des Saals und den vielfältigen Programmen war erneut der große Zuspruch des Publikums erfreulich, das für großartige Stimmung sorgte.
Am 19. Oktober 2023 gastierte das Wiener Ensemble Studio Dan im Cubus. Das außergewöhnliche Programm bestand aus rein algorithmisch, computergenerierten Kompositionen des griechischen Komponisten Iannis Xenakis, die vom Ensemble eindrucksvoll interpretiert wurden. Es handelte sich hierbei allerdings nicht um Xenakis Kompositionen aus den 80ern. So ließ der Komponist Christof Ressi die alte Musiksoftware, die Xenakis damals in Zusammenarbeit mit IBM entwickelte, wieder auferstehen und ermöglichte damit die Präsentation von 6 gänzlich neuen Kompositionen für variierende Besetzungen. Nicht nur das Konzert, sondern auch der Vortrag, den Cristof Ressi davor hielt, erfreuten sich regem Publikumszuspruch.
Im vollen CUBUS gastierte das Ensemble Coincidence am 30. Oktober 2023 im KULTUM. Das Programm war dabei gänzlich Graz lastig: Werke von Claudia Cañamero Ballestar, Davide Coppola, Victor Morato, Shiri Riseman und Sergi Puig Serna gelangten zur Uraufführung. Mit ihrer sympathischen Art führte das Ensemble auf der Bühne auch Gespräche mit den Komponist:innen über die gemeinsame Arbeit und begeisterte nicht zuletzt dadurch das Publikum.
Den Weg aus Tirol trat am 27. November 2023 das Ensemble WirkWerk an, um mit ihrem Programm „Hirn oder Hirnlos“ Werke für Klaviertrio und Elektronik bzw. audiovisuelle Werke zu präsentieren. Mit viel Elan gingen sie auch an die Musikvermittlung heran und boten mit Moderation neue Zugänge zu den Werken. Zum Anlass ihres Gastspiels im KULTUM nahmen sie mit „Lokale Orbits | Trio“ von Daniel Mayer und „EAVIIP#1“ von Andreas Trenkwalderauch zwei Werke Grazer Komponisten in ihr Programm auf.
Am 01. Dezember 2023 präsentierten KUG-Professor Clemens Gadenstätter und die Literatin Lisa Spalt in einer spartenübergreifenden Veranstaltung (Konzert/Lesung) ihr neues Live-Hörspiel „Break Eden.“ Das Zusammenspiel von Text und Musik und deren Verflechtung beeindruckte das Publikum. Mit Coalescence präsentiert vom Grazer LaKT Ensemble fand am 11. Dezember das letzte Konzert 2023 im KULTUM statt. Bei vollem Haus wurde ein intermediales Programm geboten, das Improvisation und performative Elemente in der Musik miteinbezog. Das Ensemble, aus Komponist:innen, Tänzerinnen und Musiker:innen bestehend, studierte dabei neue choreographien und Kompositionen ein, die eigens für diesen Anlass entworfen wurden.
Der mit klarem inhaltlichem Konzept versehene Mix aus Präsenzveranstaltungen und Online-Formaten hat die Sparte Diskurs im KULTUM auch im Jahr 2023 geprägt. Mit einem Sinn für die historischen und kulturellen Erfahrungen, die Menschen in früheren Krisen- und Kriegszeiten gemacht haben sowie mit dem lebensbejahenden und milieuoffenen Blick auf die Popkultur im Heute stellten wir uns analytisch der gegenwärtigen „Polykrise“. Zwei nunmehr bestens etablierte Veranstaltungsreihen sowie zwei nunmehr ebenfalls ausgereifte kuratoren- bzw. personenzentrierte Online-Formate wechselten sich dabei mit „klassischen“ Vorträgen und anlassbezogenen Diskursveranstaltungen ab.
– In der nach der Wirkmacht und „prophetischen Kraft“ der Populärkultur fragenden Reihe Seismographics war am 20. Juni 2023 der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich und ein studentischer „Meme-Lord“ zu Gast und sprachen über die ironische Wucht sowie kathartische Kraft von Internet-Memes.
Bereits am 17. Jänner und noch einmal am 28. November 2023 besprachen Kurator Florian Traussnig und Erwachsenenbildnerin und Amerikanistin/Germanistin Kathrin Karloff in Kooperation mit dem Bildungsforum Mariatrost jeweils zwei aktuelle Romane, die sich der Klima-Krise sowie dem konfliktreichen Wandel unserer (Kommunikations-)Kultur und den „battles“ und „shitstorms“ in Zeiten von Social Media stellen.
– In der „nach hinten“ blickenden, aber die Gegenwart mit diesem historischen Rückspiegel abgleichenden Reihe Neu gelesen. Neu erzählt. Neu gemischt. waren 2023 mehrere Experten zu Gast. Sie kontextualisierten historische Texte mit unserem aktuellen Erlebnis- und Erkenntnishorizont: Althistorikerin Margit Linder sprach am 2. Mai über Flavius Josephus‘ antiken Antikriegsbericht De Bello Judaico, der Byzantinist und Klimahistoriker Johannes Preiser-Kapeller zog am 17. Oktober in seiner Neu-Lesung mittelalterlicher Katastrophentexte spannende Vergleiche zum heutigen Klima-Aktivismus und in einem Talkformat sprachen Philosoph Reinhold Esterbauer und Journalistin Victoria Schwendenwein über La Mettrie’s Schrift Le Homme Machine und hochaktuelle Themen wie KI.
Auch 2023 reagierte Kurator Florian Traussnig mit Online-Kurzkommentaren auf aktuelle Entwicklungen und Diskurse: so sprach er über die Rolle, die Experten und Wissenschaftlerinnen in den Medien spielen sollten und hinterfragte selbstkritisch die moralische (Klima-)Bewegtheit einer weltoffenen, aber auch teils hedonistischen Sommeruniversität.
Auch 2023 hat Florian Traussnig als Diskurskurator kurze „Biopics“ über das „intellektuelle Werden“ von prägenden, aber auch lebensweltlich geerdeten Denkerinnenn oder Wissenschaftlern verfasst und diese mit aktuellen Debatten und gesellschaftlichen Phänomenen verzahnt. Diesmal ging es um Ágnes Heller und Bruno Latour.
Andere & Aktuelle Diskurse, Kooperationen: Auch 2023 gab es Veranstaltungen und Kooperationen außerhalb der thematischen Reihen. So gab es unter anderem am 17. Jänner 2023 in Kooperation mit dem Center for Inter-American Studies an der Uni Graz eine vielstimmige „Martin Luther King Lecture“, am 28. Februar 2022 sprach der Völkerrechtler Ralph Janik über den Ukraine-Krieg auf Social Media, der DDR-Autor Hans-Jörg Dost las am 14. April 2023 aus seiner Autobiografie, am 5. Mai 2023 war ökologisch bewegtes Impro-Theater im Innenhof zu sehn, am 18. Oktober moderierte Kurator Florian Traussnig die Buchpräsentation von Andreas Wabl über die Grüne Bewegung in Österreich.
Die Gründungsveranstaltung des „Europäischen Forschungsnetzwerkes zum Iconic Turn in den christlichen Konfessionen“ am 21. und 22. Februar 2023 fand in Graz statt, in der das KULTUM als Zentrum für Gegenwart, Kunst und Religion Gastgeber war. Es wies auf die Bedeutung und Rezeption des „Iconic Turn“ in den Geisteswissenschaften allgemein und in den großen christlichen Konfessionen im Besonderen hin. Darüber hinaus fand die feierliche Gründung des Forschungsnetzwerkes statt. KULTUM-Leiter Johannes Rauchenberger ist wissenschaftlicher Beirat dieses europäischen Netzwerks.
Die bereits bestens eingespielte Diskurs- & Theologie-Kooperation mit der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Graz spiegelte sich in der noch 2024 weiterlaufenden Veranstaltungsreihe „Gender und Queer in Kunst und Religion“ wider, die vor allem von der Fundamentaltheologin Martina Bär und Renè Corvaia-Koch verantwortet und von Chefkurator Johannes Rauchenberger von Seiten des KULTUM mitveranstaltet wird.
KULTUM-Junges Publikum: Das Theaterjahr 2023 startete Anfang März mit einem Stück über die besondere Zeit am Ende des Tages, wenn die ungezügelte Spiellust der Kinder auf die Notwendigkeit zur Ruhe zu kommen trifft. Mama und Papa sagten am 5. und 6. März 2023 „Gute Nacht“, doch Nora hat noch so viel Wichtiges zu erledigen, bevor sie ins Bett gehen kann: „Gute Nacht“ des Grazer Mezzanin Theater für die Kleinsten ab drei. Trubelig wurde es Ende April im KULTUM sowohl In- als auch Outdoor. In Kooperation mit dem Lendwirbel, dem zehntägigen Nachbarschaftsfest am Lend, haben wir etwas Neues gewagt: Unter dem Motto PLATZ FÜR ALLE, gab es im Cubus Kurzfilme für die Kleinsten ab 4 zu sehen, kombiniert mit einer Mitmach-Werkstatt im Innenhof für die ganze Familie – eine gelungene bunte Mischung, moderiert von Lisa Mai und Christoph Schwarz, den Kurator*innen Kinder Kurzfilm Festivals „Kikeriki“ in Tulln. Fortsetzung erwünscht!
Am 7./8. Mai war die Hör- und Schaubühne Stuttgart mit ihrem neuen Stück „Pu der Bär“ bei uns zu Gast. Begleitet von Live-Musik konnten Kinder ab fünf gemeinsam mit Pu und seinen Freunden eine Expedition zum Nordpol unternehmen.
Sehnlichst erwartet wurde Christine Kastl, Illustratorin unserer „Pixi“-Programmbücher, die vom 16. bis 19 Juni 2023 zu Kunstworkshops lud. Gemeinsam wurde gezeichnet, geschnitten, geklebt, gewalzt, und am Schluss große Stempeltiere aus Moosgummi auf einzigartigen Hintergründen zum Leben erweckt.
Der Herbst begann beim Jungen Publikum am 22. Und 23. Oktober 2023 mit dem KASPERL UND DEM KROKODIL, DAS GOLD NIESEN KONNTE. Eva Bodingbauer + Brigitte Kocher begeisterten erneut die Kinder ab 4. Die Märchenoper von Engelbert Humperdinck „Hänsel und Gretl“ wurde am 26./27. November im großen Minoritensaal mit Live Orchester, Opernsänger*innen, dem Lebkuchenchor des Grazer Ferdinandeums und einem essbaren Bühnenbild aufgeführt. Das vom KULTUM vor 10 Jahren in Auftrag gegebene Stück „ELSAS HEILIGSTE NACHT“ des Figurentheaters Anne Klatt/Tübingen wurde am 17. und 18. Dezember 2023 für junge Menschen ab 8 erneut auf die Bühne gebracht – wiederum ausverkauft.