Es ist keine Zeit für Propaganda, bei Gott nicht. Der Riss, den dieser Krieg in der Ukraine auch durch unsere Köpfe zieht, macht uns mehr und mehr sprachlos. KUNST IM KRIEG, eine Vorlesungsreihe des Fachbereichs Fundamentaltheologie, organisiert von der neuen Professorin Martina Bär und ihrem Assistenten René Corvaia-Koch im KULTUM im kommenden Wintersemester (jeweils mittwochs), oder eine weitere Ausgabe von GELESEN. NEU ERZÄHLT. NEU GEMISCHT am 28. Oktober – einer Parallelisierung zum Simplicissimus im 30-jährigen Krieg –, sind ein Antwortversuch, dem mit etwas kulturellem Wissen zu begegnen.
Als mir der Titel zu dieser Ausstellung kam, hatte die Peinlichkeit des Titels noch ganz andere Züge. Jedenfalls waren aktuelle oder auch historische Aktualisierungen und Verwerfungen noch weit entfernt. Barbara Steiner, die frühere Kunsthaus-Chefin, hatte mich vor etwa zwei Jahren erneut eingeladen, bei einem großen Kooperationsprojekt mitzutun, das sich um das Plakat der letzten 100 Jahre drehen sollte. Ich sollte mich um die kirchlichen kümmern. Schließlich war für sie die Kooperation bei „Glaube Liebe Hoffnung“ (2018) die schönste in ihrer Amtszeit gewesen. Da sich bald herausstellte, dass der Übertitel von 8 Ausstellungen „Kunst der Verführung“ heißen sollte, war es mir aus der Hüfte geschossen, dass ich etwas über die „Propaganda fidei“ machen sollte. Das fand ich, das fand man, am Anfang durchaus lustig. Und ich erinnerte mich plötzlich auch an unser erstes Gespräch zu „800 Jahre Diözese Graz-Seckau“ und unser Ansinnen, im Kunsthaus die große Ausstellung machen zu wollen. „Alles, außer Propaganda!“ war die conditio sine qua non der damaligen Leiterin. Nun also, „posthum“ quasi, eine Propaganda-Ausstellung als Präsent im Nachhinein. Denn der Schriftzug auf dem Palazzo in der Nähe der spanischen Treppe – collegium urbanum de propaganda fide – klang doch so unbeschwert kühn: Das muss man sich erst mal trauen ...
Schließlich ist auch das Bedürfnis vieler Besucher*innen, über den neu renovierten Ort und seiner architektonischen und bildnerischen Botschaft etwas erfahren zu wollen, ziemlich groß. Es besteht ein ziemlicher kunsthistorischer Nachholbedarf. Dem wollen wir nachkommen! Und damit auch die geschichtlichen Fundamente ein wenig frei legen, die freilich weniger mit frommem Fluidum umgeben sein werden. Bilder haben Entstehungsbedingungen, sie haben Funktionen und wurden mit entsprechenden Strategien bestellt und gemalt. Und sie haben auch Ablaufdaten. Punkt.
Aber immer gibt es dann auch die Auftraggeber, die etwas abnicken, wagen oder fordern. Das waren damals die Minder-Brüder des Hl. Franz. Wie ist das heute? Damit bin ich aber auch beim zeitgenössischen Teil der Ausstellung – und dieser ist weniger ganz aktuell als vielmehr 50 Jahre alt. Aus heutiger Sicht sind die Plakate von Karl Neubacher (einem zentralen Teil der Ausstellung) ein weltweit einzigartiges Zeit-Dokument, der Kirche mit ihrer eigenen Botschaft auf den Zahn zu fühlen. Damals war es frech. Nur heute ist es ernst. Zumindest so ernst, das der Titel PROPAGANDA FIDEI einfach nur mehr lächerlich wirkt, weil er all die Allianzen von Kirche und Macht in der Geschichte hochspült: Auch unser Haus hier ist davon nicht befreit, so schön die franziskanische Erzählung auch sein mag. Aber es gibt auch Gegenwelten. Und von ihnen werden wir in der Ausstellung erzählen.
Wir brauchen in einer Zeit, wo es soziologisch keineswegs mehr gesichert ist, dass die Kirche die (über-)nächste Generation bei uns überhaupt erleben wird – man schaue nur auf all die Überforderungen der noch Aktiven, all die Zusammenbrüche, auf all die Banalitäten auch, mit denen man sich in Zeiten, wo nicht einfach sie selbst (siehe Cover!), sondern die Gesellschaft brennt, beschäftigt –, nicht von der „belle epoque“ des Reformkatholizismus reden und eine vergangene Zeit heraufbeschwören. Aber wir müssen ihre Bilder zeigen, sie hochhalten. Die Fundamentalisten dürfen nicht erneut siegen in Sachen propaganda fidei. Dann wird eine Museums-Arbeit im besten Sinne aktuell: Denn was jemand wie entscheidet, wie vor allem die Kreativen in entscheidende inhaltliche Prozesse eingebunden werden – das ist auch eine Frage für heute und morgen in einem radikalen Transformationsprozess von Kirche und Gesellschaft. Und man wird uns einmal daran messen. (Das hat übrigens – so glaube ich – die neue Kulturstrategie des neuen Landeshauptmanns verstanden, bravo!)
Dass die UNTERBRINGUNG VON UNENDLICHKEIT (Lucas Cejpek) eine Aufgabe auch im aktuellen Diskurs sein sollte, haben wir uns mit den erstmals stattfindenden „Blumenbergtagen“ vorgenommen: Auftragstexte, -kompositionen, ein Diskurs-Frühstück im Hof am 29. und 30. September. Lesen Sie nach! INS BLAUE ERNTEN dann bei der nächsten Ausgabe von „Der doppelte Gast“ Kathrin Schmidt und Birgit Kreipe am 17. Oktober. Dem Abschied wird dabei ein Willkommen gesagt. Zuvor gibt es Neue Musik. NODES. Knoten knüpfen. Am 5. Oktober. Und das wunderbare PIXI-Buch ist für junge Eltern bereits unterwegs. Be invited zu all dem und vielem mehr!
Felicitas Hoppe, die zu den großen Erzählerinnen der deutschen Gegenwartsliteratur zählt, hielt als Kind viel von Pfingsten: Bei der künstlerischen Einweihung des neuen Minoritensaals im vergangenen November bezeichnete sie Pfingsten als ihr „Lieblingsfest, weil der Geist Herr der Luft und sämtlicher Winde ist“ und weil „er die Feuerzunge erfand, die uns befähigt, in sämtlichen Sprachen zu sprechen […], weil er mit seinem Atem ein ganzes All erfüllt, von dem ich bis heute nichts weiß […] Und weil er in ständig wechselnden Gewändern von Sturm und Feuer und Flut bis heute ein Großmeister des Naturschauspiels ist“. Aber sie war ein Asthma-Kind. Wie konnte sie Gott schon damals so hängen lassen mit der Kurzatmigkeit?
Felicitas Hoppe verwebt in diesem Text ihre Asthma-Erinnerung als Kind mit einem Märchen von Hans Christian Andersen, im dem der Gesang der Nachtigall den Tod zum Gärtner macht, und ihrem flötenspielenden Vater während ihrer kindlichen Krankheit an ihrem Geburtstag zwei Tage vor Weihnachten und flechtet dabei das pfingstliche Atmen und sein Feuer, die Vertreibung des Todes durch den Gesang der Nachtigall im Märchen und das Weihnachtslied von „Lieb Nachtigall, wach auf“ ein. Mehr davon >>
Wie Felicitas Hoppe Pfingsten in diesem wunderbaren Text mit ATEM, mit dem Tod, dem Leben und dem Singen verknüpfte, möchte ich Ihnen heute als Pfingstgruß aus dem KULTUM senden. Ich habe diesen Text erst vor ein paar Tagen erst geschnitten, er ist also neu ... Hören Sie rein!
Bemerkenswerte Tage liegen hinter uns: die Galerientage, die am Wochenende mit einer der so zahlreichen Führungen von Manfred Erjautz und zeitgleich die Tage der afrikanischen Literaturen gestartet haben, folgten der so gelungenen und an Menschenmassen überquellenden Eröffnung des Design-Monats eine Woche vorher, die die drei Hoffassaden in helle Farben tauchte (mit im Gepäck die Ausstellungen „Design Everyday“ und „ZweckZwei – Shift Circular Design“, die bis zum 12. Juni hier zu sehen sind). Zwei Tage vorher die offizielle Eröffnung zur Renovierung der Minoritensäle ... Es waren jeweils andere Welten, die anders nicht sein konnten. Und sie zeigten jeweils sehr verschiedene Zugänge zu diesem Ort! Und für die Teilnehmenden, hie wie da, ein Fest.
Vor dieser Uhr von Manfred Erjautz, die derzeit in der Ausstellung DINGE zu sehen ist, möchte ich Ihnen frohe Ostern wünschen, heute am Karfreitag. Einmal in 12 Stunden dreht sich dieser Corpus von seiner aufrecht stehenden Haltung kopfüber um12 und wieder zurück um 6. Um drei stehen Körper und seine linke Hand im rechten Winkel. Auch um 9, nur anders rum. Diese linke Hand ist der Minutenzeiger, er dreht sich einmal pro Stunde. Seine rechte ist der Sekundenzeiger, sie dreht sich einmal in der Minute. Wenn Sie am 12 er ist, hält sie kurz inne, dabei richtet sie sich mittels Funksignal aus an der Atomuhr an derzeit gelten Zeit, der MESZ.
Ich halte diese Skulptur für ein epochales Werk, wenn es darum geht, danach zu fragen, ob und wie die Figur Jesu in der heutigen Kunst vorkommt. Sie wird Teil des KULTUM Museums werden, das sich dafür interessiert, wie Gegenwart, Kunst und Religion in ein gegenseitig sich befragendes, stimulierendes, auch kritisches Verhältnis kommen.
Die Skulptur hat anderswo, etwa in Innsbruck vor zwei Jahren, viel Befremden ausgelöst, hier ist es nicht so. Vielleicht eher ein verhaltenes Schweigen?
Ja, nennen wir es beim Namen: Dem Kruzifix wird hier viel angetan. Es verändert sich dauernd. Minütlich, stündlich, täglich. Es ist kein stillgehaltenes Objekt einer Kreuzverehrung, die heute in der katholischen Liturgie sogar mit dem Kniefall, mitunter mit dem Kuss sogar, bedacht wird. Dieses Kruzifix aus dem 19. Jahrhundert, liebevoll vom Künstler restauriert, bewegt sich, wie sich auch das Kreuz und die unendlich vielen Kreuze bewegen, gefühlt in diesen Tagen und Wochen wie schon so lange nicht mehr.
Die Symbolik des Karfreitags und die Symbolik von Ostern ist aber dennoch mehr als die ganz konkrete Not von heute. Sie kehrt wieder, jährlich wird sie neu erinnert, als ob die ewige Wiederkehr des Gleichen das Gesetz der Menschheit ist.
Was treibt diesen hier in einem Kreis gebannten Jesus, dem wir ja auch unsere Zeitrechnung verdanken und dessen Religion eigentlich eine lineare Zeitmessung in unsere Vorstellung von Geschichte eingesetzt hat, an? Die ewige Wiederkehr von Krieg, Hass und Gewalt, von Sinn- und Ausweglosigkeit, von einer Verlassenheit, die metaphysisch ist? Treibt ihn das beharrliche Anzeigen an, dass unsere Zeitlinie zu Ende ist?
Oder ist es das Versprechen, dass in ihm – wie in der Osterkerze – Anfang und Ende eingeschrieben sind? Um 12 und um Mitternacht steht dieses Kreuz Kopf. Das ist die zweite Seite im Anschauen des Kreuzes Christi, wie es diese Skulptur ermöglicht. Kein einfaches Happy End eines Siegers oder Feldherrn, wie manches der Osterlieder suggeriert. Ostern ist schlicht der auf den Kopf gestellte Tod. Doch der Tod ist und bleibt der Tod. Das ist das Drama, das in diesen Tagen im Christentum verdichtet wird – in diesem Sinne aufrecht und kopfüber: Frohe Ostern!
"In den Ansichten des drückenden Monats August erschließt sich die Fragilität von Grenzen inner- und außerhalb Europas. Durch die herausragende Collage von Bild und Text erzeugt die Filmemacherin eine Konfrontation der Zusammenhänge von Reise, Tourismus, Arbeitsmigration wie Flucht. Der Film stellt so eine wertvolle Vermessung europäischer Geschichte und Gegenwart dar. Der essayistische und enigmatische Text schreibt sich in die Bilder bekannter wie unbekannter Orte ein und legt die brüchigen Verbindungen vielfältiger historischer, persönlicher wie politischer Versatzstücke frei."
Mit diesen Worten zeichnete die Jury Valérie Pelet für ihren Film AUGUSTS ORTE als besten Kurzdokumentarfilm der Diagonale'22 aus.
Kunst, so möchte ich meinen, glaubt an die Utopie. Auch die Religion, zumindest in ihren trostvollen Erzählungen. Anhand der "Speisung der 5000" starten wir einerseits eine 15.000 Euro-Bildpatenschaft, getragen von allen, die sich dem KULTUM verbunden wissen. Die eine Hälfte Ihres Beitrags geht an die vom Krieg getroffenen Menschen in der Ukraine. Die andere Hälfte lässt uns zu den gegenwärtigen Fünftausend werden, die in Kunst und Kultur auch eine notwendige, geistige Nahrung sehen, die Teil einer sozialen Verantwortung werden muss. Vielleicht lässt sich so das Bleibende hier und das aktuell Bedrängende symbolisch verbinden?
Daher stehen die Programmpunkte, die Sie in diesen KULTUM-Programm für März/April bearbeitet sehen, auch in einem neuen Licht ...
Die Ausstellung Die andere Maria. Ein Zeichenspiel zu Stigmata in vier Aktendes Zürcher Künstlers Till Velten ist der Beitrag des KULTUM für die diesjährige "Kunst zu Aschermittwoch" am 2. März:Um 17 Uhrführt Kurator Johannes Rauchenberger durch diese vielschichtige, sensibel präsentierte und die christliche Passionsfrömmigkeit künstlerisch befragende Schau.
Anschließend findet um 19 Uhr die Aschermittwochsliturgie in der Grazer St. Andrä-Kirche mit Pfarrer Alois Kölbl statt.