Abstraktion & Körperlichkeit
Aus: Reflektiert zeitgenössische Kunst das Christentum? Ein kuratorisches Gespräch zwischen Katrin Bucher Trantow, Johannes Rauchenberger und Barbara Steiner | Is Christianty Reflected in Contemporary Art? A conversation between Katrin Bucher Trantow, Johannes Rauchenberger and Barbara Steiner, in: Glaube Liebe Hoffnung. Zeitgenössische Kunst reflektiert das Christentum | Faith Love Hope. Christianity Reflected in Contemporary Art, herausgegeben von | edited by Katrin Bucher Trantow, Johannes Rauchenberger, Barbara Steiner, (IKON. Bild+Theologie, hg. von | ed. by Alex Stock und Reinhard Hoeps), Verlag Ferdinand Schoeningh, Paderborn 2018, S. | p. 96–107.
Johannes Rauchenberger: An die Frage nachdem Verhältnis von Gegenwartskunst und Religion schließt konsequenterweise die Frage an, welches Erbe der katholischen Bildwelt sich in der zeitgenössischen Kunst manifestiert. Den Ausstellungsrundgang im Kunsthaus beginnen wir mit einem duftenden Blumenstrauß aus weißen Blumen. Ein Welken ist nicht vorgesehen. Der Strauß wird wöchentlich erneuert ...
Katrin Bucher: Willem De Rooij bedient sich mit seinem rein weißen, aufsehenerregenden Bouquet IX gleichzeitig religiöser und säkularer Symbolsysteme und zeigt eine tiefe Durchdringung und Verwurzelung des einen im anderen. Gerade hier wird die Rolle des Kunstwerks als produktive Dekonstruktion zwischen diesseitigem Wissen und einem spirituell manifestierten Glauben an ein Außerweltliches offenbar. Die Blumen sind gerade in einer vom Kapitalismus geprägten Welt zum einen Träger von ökonomischen Interessen – der Künstler stammt aus dem Blumenexportland Holland. Zum anderen können sie als Künder und Abbilder göttlicher Reinheit und Anbetung gelesen werden. Hier stehen die Lilie oder die Nelke für die Erhabenheit und Reinheit Marias. Als das lebende Bild der ewig blühenden Opulenz sind sie duftende Zeugen eines (über)natürlichen Wunders, das während der Dauer der gesamten Ausstellung nicht vergeht.
JR: Die großen Religionen und ihre Künste haben sich mit der Frage des Abbilds geplagt: Darf man sich überhaupt ein Bildnis von Gott machen? Der erste biblische Impuls verbietet das: „Du sollst dir kein Bildnis machen“ (Ex 20,4). Ihm sind Judentum und Islam im Prinzip bis heute treu geblieben. Bildgeschichtlich werden dabei vor allem das Ornament und auch die Abstraktion wirksam. Ornamente sind in Europa anfangs wahrscheinlich über einen Kulturtransfer mit der maurischen Kultur im Süden und dem irischen Flechtwerk im Norden in das Christentum eingeflossen. In der Romanik fanden sie durch die flächendeckende Verbreitung der benediktinischen bzw. später zisterziensischen Klöster rasche Verbreitung. Hier in der Steiermark denke man nur an die Ornamente, die im „Reiner Musterbuch“[7] aus dem beginnenden 13. Jahrhundert dokumentiert sind und über Jahrhunderte Verwendung fanden. Es ist eines der bedeutendsten Werke, die uns aus den Schreibschulen steirischer Klöster überliefert ist. Besonders eindrucksvoll ist dies am Karner in Hartberg (13. Jh.) zu sehen. Aber auch gotische Deckengewölbe sind voller Ornamente – davon gibt es gerade in der Steiermark ziemlich viele. Mitunter sind sie zusätzlich, wie in Neuberg an der Mürz, in St. Marein bei Knittelfeld oder auch im Grazer Dom, mit Pflanzenornamentik ausgemalt.[8]Ausgerechnet die Jesuiten, die als die Ermöglicher barocker Kunst gelten, haben ihr zentrales Emblem ornamental umrankt und – eigentlich ganz abstrakt – als Schriftzug ausgebildet: IHS (Jesus). An allen Orten der Jesuiten wie im späteren Grazer Dom, im Jesuitenkolleg, in Leoben und Judenburg kann man es äußerst zahlreich finden. Ein Schriftzug als Abstraktion!
KB: In der Ausstellung folgt gleich auf De Rooijs Arbeit das Werk God is Design des französisch-algerischen Künstlers Adel Abdessemed. Darin wird die Frage der Abstraktion pointiert auf einen Punkt gebracht: Gott ist undefinierbar und nicht darstellbar. „Du sollst Dir kein Bildnis machen“ ist ja nicht nur eine biblische Forderung, sondern eine Auseinandersetzung über die Abbildbarkeit des Göttlichen, die bis heute unterschiedliche Kulturen prägt. Sie spornt zu Höchstleistungen in der Ornamentik an, die ja fast immer auf mathematischen Prinzipien beruht, auch in der Musik!
Besondere Brisanz erhielt Abdesssemeds Video im Kontext seiner erstmaligen Aufführung im Jahr 2007, als es in einer Galerie gegenüber dem Parlament im Zentrum von Rabat in voller Lautstärke präsentiert wurde. Die Arbeit ist durchaus als Protest zu verstehen gegen die insbesondere seit 2001 stetig wachsenden religiösen Fundamentalismen und Abschottungstendenzen.
JR: Zwischen God is Design mit seinen ornamentalen und floralen Motiven und dem duftenden Blumenstrauß von De Rooij steht der Bronzeabguss einer Urzelle von Fritz Hartlauer, einem eigenwilligen Vertreter der steirischen Moderne. Hartlauer, der sich viel mit der Archetypenlehre C. G. Jungs, mit Religionswissenschaft und Metaphysik beschäftigte, suchte nach einer künstlerischen Möglichkeit, die Grundprinzipien der organischen und unbelebten Natur visuell erfahrbar zu machen. Zudem wollte er diese mit den Grundstrukturen des Geistes, des Körpers und des menschlichen Gesichts verbinden. Er analysierte den menschlichen Kopf und führte ihn zu einem dynamisch-symmetrischen System aus konstruktiven Grundelementen. Er fand in ihm ein Kreuz. Die elementare Kreuzsymbolik legt sich über dieses System, gleichzeitig auch die Expansion von Masse und Energie in einer dreidimensionalen Form. Somit ist dieses Werk auch als ein Kontrapunkt zu Adel Abdessemed zu lesen: Gott ist nicht Design, er ist in allen Dingen, in jeder Zelle. Die Archetypik des Kreuzes vermischt sich mit dem Gesicht. Eigentlich ein schöner Gedanke für den Anfang einer Ausstellung, die über die Möglichkeit der Bildwerdung des Göttlichen nachdenkt.
Barbara Steiner: Abdessemed fordert mit der Aussage God is Design absichtsvoll heraus, doch wenn ich Design als Gestaltung im Sinne eines kreativen Schaffensprozesses auffasse, kann ich dem einiges abgewinnen. Derart verstanden bedeutet Gestaltung ja nicht nur das unmittelbar Wahrnehmbare, sondern auch Strukturen und Prozesse, so gesehen ist Gott tatsächlich als „Gestalter“ in allem präsent.
In Abdessemeds Animation bauen sich Ornamente und Zellstrukturen auf, sie wachsen, verändern sich, verbinden sich mit mit- und untereinander. Im Grunde genommen lese ich Hartlauers Urzelle ähnlich prozesshaft, selbst wenn diese als ein materielles Objekt vor uns liegt: Denn man kann sich vorstellen, dass aus dieser Urzelle Leben entsteht, dass sie sich potenziell in andere Zustände und Formen verwandelt. Gleichzeitig ist sie aber auch Bedingung alles Seienden. In unserer Ausstellung eröffnen beide Positionen, Abdessemed und Hartlauer, Möglichkeiten des In-die-Welt-Kommens des Göttlichen.
KB: Mitunter führt das Bilderverbot aber auch zur Bilderzerstörung. Dies ist durchaus ein aktuelles Thema, vergegenwärtigt man sich die Debatte zur Sichtbarkeit des Kreuzes in öffentlichen Gebäuden, wie sie gerade in Bayern bebt und eigentlich auf die Vorherrschaft einer Religion abzielt. Meist ist genau eine solche Auseinandersetzung der Grund und auch Beginn von religiös-fundamentalistischen Bildzerstörungen, wie wir sie seit Jahrhunderten immer wieder erleben. Die Kunstgeschichte ist voll davon. Auch lösen sich Bilder ab, werden übermalt oder ersetzt. Deutlich forderte die Kunst der Moderne mit ihren Bild-Dekonstruktionen konsequente Bilderneuerungen und suchte etwa das Ornament oder auch die Figur grundsätzlich zu verwerfen. Man denke etwa an Malewitschs vielzitiertes Schwarzes Quadrat. Auch die österreichischen Aktionisten sind hier wesentliche Akteure. Arnulf Rainers Übermalungen sind durchaus in dieser Tradition zu verstehen und gelten dem Überarbeiten und gleichzeitigen Erhöhen des überlieferten – gerade auch religiösen – Bildes.
BS: Malewitsch steht zwischen der Vormoderne und Moderne. Einerseits befasste er sich mit Ikonenmalerei und Volkskunst, andererseits faszinierten ihn populärwissenschaftliche Schriften zur vierten Dimension und kubistische bzw. futuristische Kunst. Er und viele andere wie etwa Kandinsky und Mondrian hatten ein Interesse an Theosophie und Anthroposophie, die mystisch-religiöse undspekulativ-naturphilosophische Denkansätze verbinden.Die Vorstellung einer „höheren Wirklichkeit“ verbindet nicht nur Religionen, sondern hat damals auch Kunst und Religion einander nähergebracht. Fritz Hartlauer hast du eben erwähnt: Er begann 1955 unter Bezugnahme auf kosmische und spirituelle Bezugssysteme seine Urzelle zu entwickeln. Das Urzellensystem verweist zum einen auf die elementare Materialität des Weltganzen, befördert aber zum anderen auch durch die Kreuzungen bzw. Kreuzformen christliche Deutungsmuster.
Heute – da passt Abdessemed perfekt – klingt die spirituelle Ebene eher wie ein Echo nach. Sie ist nicht verschwunden, aber nur eine Ebene unter anderen. Abdessemed ruft verschiedene Symbole auf – vom jüdischen Stern bis zum Kreuz, bis hin zu Zellstrukturen – und verbindet damit nicht nur Wissenschaft mit Religion, sondern auch verschiedene Traditionen der religiösen Abstraktion. Das Ganze ist rasant geschnitten und durch zeitgenössische Musik unterlegt. Damit verschiebt er das Thema auch ein Stück weit in die Populärkultur. Wenn ich die Symbole nicht lesen kann, dann wird mir die Sprengkraft ihres gemeinsamen Vorkommens im Video nicht bewusst sein – dann bleiben es lediglich Muster.
KB: Ja, das stetig wachsende und sich überschreibende Zeichenflechtwerk kommt zusammen mit der sich steigernden, mal mehr orientalisch, mal mehr westlich anmutenden Musik einem rasanten Rausch der Sinne gleich, deren Codes – auch hier besteht eine Verbindung zur Populärkultur – nur den Eingeweihten verständlich sind.
JR: Dass Abbilder des Göttlichen in den Religionen möglich sind, ist nicht selbstverständlich. Das Christentum sagt nach langen Phasen des Streits dazu ja. Und ermöglicht damit jene europäische Bildgeschichte, die sich über Jahrhunderte entwickelt hat: Weg vom Goldhintergrund hin zum Raum, zur dritten Dimension, zur Zeit, zur vierten Dimension. Jedenfalls ist das der entscheidende Impuls des Christentums als Religion, der figurative Darstellung ermöglicht: Das Göttliche nimmt in Jesus Christus und allen, die ihm folgen, konkrete Gestalt an. Theologisch am radikalsten ist am Ende das, was der Wüstenmönch Johannes von Damaskus über die Bilder sagte: „Mache die Materie nicht schlecht! Denn Gott stieg in sie herab!“[9]Das macht einen noch viel umfassenderen Bogen auf, was im Christentum eigentlich alles bildwürdig werden kann – weit entfernt vom bloßen Ornament. Diese Aussage ist radikaler als jene Abbildtheorien, die in der Folge des platonischen Denkens um „Urbild und Abbild“ kreisten. Freilich gab es dafür von Anfang an Legenden, sodass man sich zunächst dem Phänomen des Abbilds genähert hat – man denke nur an all die Erscheinungen und Abdrucke in einem Tuch, angefangen beim Tuch von Edessa bis hin zur Vera Icon, das sich später zum Schweißtuch der Veronika wandelt oder schließlich zum Grabtuch von Turin: Das sind Abwandlungen all dieser Ideen von Abbild.[10]Ein lokaler Vertreter dieser Fragestellung ist der kleine Klappaltar[11]aus dem späten 15. Jahrhundert aus der Alten Galerie am Universalmuseum Joanneum. Auf der Rückseite sehen wir die Vera Icon und auf der geschlossenen Vorderseite ist die Verkündigung dargestellt. Damit finden sich beide Varianten, die das Christentum hinsichtlich der Bildwerdung aufzubieten hat, auf einem Altarbild. Die Vera Icon, das „wahre Antlitz Jesu“, zeigt den Abdruck des Gesichts auf einem Tuch, wobei das Gesicht regelrecht erscheint, gezeichnet vom Leiden: Doch das Gesicht ist nicht tot, sondern lebendig, mit offenen, rot unterlaufenen Augen, aus denen äußerst plastisch gemalte Tränen kullern. Bildgeschichtlich steht diese Vera Icon zwischen dem Schweißtuch der Veronika und der viel älteren Tradition des Mandylions, das aus der östlichen Bildtradition nach Rom gewandert und somit in die westliche Bildwelt gelangt ist. Es handelt sich um ein lebendiges Antlitz, das auch im Blick zu heilen vermag. Seine Entstehung geht zurück auf Legenden aus dem 4. Jahrhundert.
Auf der anderen Seite verkündet der Engel Maria die Fleischwerdung des Logos – den Anfang der Menschwerdung Gottes. Maria, in die Lektüre eines Buchs versenkt, wird über ihrem Kopf die Inkarnation Gottes in Form einer Taube zuteil: Der Weg über den Kopf gehört bei diesen Verkündigungsbildern dazu ... Die Inspiration ist Teil dieser Fleischwerdung.[12]Der Engel erfüllt seinen Botendienst mithilfe eines langen Schriftbandes, auf dem der „Englische Gruß“ des „Ave Maria, gratia plena“ zu imaginieren ist – Buchstaben als solche sind nicht zu finden. Beides – Erscheinung am Tuch wie die Materialisierung des Göttlichen im Menschenleib der Jungfrau Maria – wird aber noch einmal aufgehoben im umschlossenen Inneren dieses Klappaltars, wo Christus mit der vergoldeten Weltenkugel erscheinen wird. Das ist auch ein Hinweis darauf, dass das Zeigen im Bilde noch einmal in einem Geheimnis aufgehoben ist.
KB: Eine zeitgenössische Form der Fleischwerdung, die eigentlich eine Abarbeitung an der Grenze von Fleisch und Materie ist, findet sich bei Berlinde De Bruyckere. Seit Prometheus verweist das plastische Schaffen aus der Materie nicht nur auf die immer wieder zitierte Identifikation von künstlerischem mit göttlichem Erschaffen, sondern konkret auf die Qualität des Sinnlichen im Abbildhaften. Fleischwerdung ist bei De Bruyckere an einer feinen Grenze zwischen fragiler Verletzlichkeit des Fleisches und christlich-pantheistischer Naturerfahrung angesiedelt. Man kann kaum unterscheiden: Ist es ein Stück eines Baumes oder ein verletzliches Stück Fleisch? Ist es gerade Mensch geworden oder wird es wieder Natur?
BS: Berlinde De Bruyckeres Umgang mit der Figur, auch mit einem Bild des Selbst, hat für mich auch sehr viel mit der Endgültigkeit und Hinfälligkeit des Körperlichen zu tun. Es ist ein Körper, derAggression und Gewalt erfährt, von Schmerz und Angst beherrscht wird, der verletzlich und sterblich ist. De Bruyckere führt uns von Abstraktion und Vergeistigung zur Existenz auf Erden und zur Leiblichkeit.
JR: De Bruyckeres Arbeit am Beginn dieser Ausstellung über Glaube Liebe Hoffnung – und am Ende des Parcours auch im KULTUM – ist für mich ein ganz wichtiges Statement, dass sich Fleisch- und Bildwerdung niemals ohne den verletzten Körper vollzieht. Und wenn ich gleichsam mit dem Blick eines Fremden in ein mitteleuropäisches Museum gehe, werde ich in der Mittelalterabteilung permanent mit zwei Hauptsujets konfrontiert: mit dem verletzten, gekreuzigten Körper und mit den unterschiedlichsten Varianten einer schönen Frau.
Die „Schönen Madonnen“ haben gerade im Alpenraum viele Abbilder gefunden: In der Steiermark beispielsweise in Bad Aussee, in Judenburg, Übelbach, Neuberg oder in dieser königlichen Figur aus dem französischen Umkreis in der sogenannten Admonter Madonna.[13]Ähnliches gilt auch für so manche der ehemaligen St. Lambrechter Kunstschätze. Aber theologisch ist der Punkt dies: Gott wird ein Kind. Bei unseren Besuchen in der Alten Galerie im Universalmuseum Joanneum im Zuge dieser Ausstellungsvorbereitungen, die ich mit dem französischen Künstler Guillaume Bruère wenige Wochen vor Ausstellungsbeginn unternahm, ist mir wieder besonders deutlich geworden, welche Bedeutung die Figur Marias für das theologische Selbstverständnis des Mittelalters hatte. Es wird hier eine stattliche, schöne Frau, meist edel gekleidet, inszeniert, die ein Kind auf ihrem Arm trägt, als Königin des Himmels. Man hat die Wurzeln dieser Hochstellung Marias in der zisterziensischen Frömmigkeit, aber auch in der deutschen Mystik gesehen. Maria wurde als Erlöserin und Königin des Himmels angesehen.[14]Fast immer ist bei diesen „Schönen Madonnen“ der Apfel in der Hand Marias – eine typologische Gegenfigur zu Eva, die in der Urerzählung nach dem Ursprung des Bösen (Gen 3) mit dem Griff zum Apfel die „Ursünde“ begangen hatte. Maria war im Mittelalter diejenige, die diesen Akt gleichsam rückgängig gemacht hat. In den Zeichnungen Bruères wird dieser Apfel besonders deutlich ... Religionsgeschichtlich ist sie im Status einer Gottheit dargestellt, wiewohl das theologisch natürlich nicht so genannt werden darf.
BS: Um den Aspekt der Transformation aufzugreifen: Guillaume Bruères Zeichnungen zeugen von Übergängen: Der (skulpturale) Körper von Maria und Kind transformiert sich in die Fläche der Zeichnung, die figurative Zeichnung abstrahiert sich und löst sich in expressiv geführte Linien auf. Abstraktion und Vergeistigung rücken Seite an Seite mit Leibhaftigkeit und Körperlichkeit.
JR: Seine Museumszeichnungen, die bislang in Karlsruhe, Zürich, Berlin, Wien und im Zuge dieser Ausstellung auch in der Alten Galerie in Graz entstanden, sind ein fiebriges Ausloten von Bildfindungen meist spätmittelalterlicher altdeutscher Malerei. Guillaume Bruère wuchs ohne christliche Prägung auf und fand erst im Zuge dieses Nachbuchstabierens christlicher Bildsprache zur Faszination für den christlichen Glauben. Unverblümt sagte er im Vorjahr zu mir: „Die Bilder rufen mich“. Innerhalb von etwa zwei, drei Stunden fertigte er mehr als zehn Zeichnungen; das hat ihn allerdings so viel Energie gekostet, dass er sich völlig ausgezehrt für den Rest des Tages erholen musste ...
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[7]Reiner Musterbuch(Cod. Vinob. 507, fol. 1r–13v). Vierfarb-Reproduktion in Originalgröße. Kommentar von Franz Unterkircher (†) unter Mitarbeit von Friedrich Simader, Graz 2013.
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[8]Vgl. Peter Krenn, Kurt Woisetschläger, Alte steirische Herrlichkeiten. 800 Jahre Kunst in der Steiermark, Graz 1968, S. 22 f., 36 f.
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[9]Zur Schlüsselposition von Johannes von Damaskus in der Bilderfrage vgl. Johannes Rauchenberger, Biblische Bildlichkeit. Kunst – Raum theologischer Erkenntnis(ikon. Bild + Theologie, hg. von Alex Stock und Reinhard Hoeps), Paderborn 1999, S. 147–154.
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[10]Vgl. Alex Stock, Poetische Dogmatik. Christologie. 2. Schrift und Gesicht, Paderborn 1995.
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[11]Vgl. Gottfried Biedermann, Katalog Alte Galerie am Landesmuseum Joanneum. Mittelalterliche Kunst. Tafelwerke – Schreinaltäre – Skulpturen, mit Beiträgen zum technischen Aufbau von Günther Diem, Graz 1982, S. 131 f. (Abb. 51).
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[12]Zur theologischen Imagination der Verkündigungsbilder vgl. Alex Stock, Poetische Dogmatik. Christologie. 3. Leib und Leben, Paderborn 1998, S. 17–53.
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[13]Vgl. Schöne Madonnen 1350–1450, hg. vom Salzburger Domkapitel, Ausst.-Kat., 17.6.–15.9.1965, Salzburg 1965. Vgl. Krenn, Woisetschläger: 800 Jahre Kunst in der Steiermark, S. 23 f., 27–29.
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[14]Vgl. Stefanie Rinke, Das „Genießen Gottes“. Medialität und Geschlechtercodierungen bei Bernhard von Clairvaux und Hildegard von Bingen(berliner kulturwissenschaft, Bd. 3, hg. von Hartmut Böhme, Christina von Braun und Thomas Macho), Freiburg/Berlin 2006.