Nach der langen und mit vielen Kuratorenführungen versehenen Ausstellung "DE PROPANGANDA FIDE. Überraschende Glaubenswerbungen der Katholischen Kirche" vom letzten steirischen herbst, die am 13. Jänner 2023 geendet hat, verwandelt sich das KULTUM in der Fastenzeit 2023 in ein „CINEMA ALTERA“: 25 Filmarbeiten des deutschen Medienkünstlers Thomas Henke sind in diesem anderen Kino – in Installationsbauten von Lorenz Estermann – gleichzeitig zu sehen. Menschen in existentiellsten Lebenssituationen werden filmkünstlerisch porträtiert: im Angesicht von Ungerechtigkeit, Ohnmacht, Missbrauch, Leid und Tod, auf der Suche nach Zuflucht, Befreiung, Ausdruck, Begegnung, Erkenntnis und Erlösung. Die Retrospektive zur filmkünstlerischen Porträtarbeit von Thomas Henke (meist in Zusammenarbeit mit Peggy Henke) umfasst Experimentalfilme und Video-Installationen der vergangenen 25 Jahre.
Es erschien im Hatje-Cantz Verlag eine 480 Seiten umfassende Publikation mit Texten zahlreicher Autor*innen, das am 13. Oktober 2023 im KULTUM vorgestellt wurde. Das gesamte künstlerische Werk von Thomas Henke wird dabei als Schenkung an das KULTUMUSEUM übergeben.
Zur Diagonale '23 zeigte das KULTUM die experimentelle Videoinstallation "Saphira" von Friedemann Derschmidt und Team, die einen kondensierten Einblick in die kunstbasierte Methode des „synoptischen Portraits“ des Künstlers bieten sollte. Es war eines von fünf Portraits, die ab Oktober 2023 im Haus der Geschichte Österreichs in Wien zu sehen war. Konzepte wie „Multidirektionales Erinnern“ (Michael Rothberg), „Postmemory“ (Marianne Hirsch), „Empathic Listeners“ (Aleida Assmann) stehen dabei Pate.
Die Frühlingsausstellung 2023 im KULTUM – „GEHEN & VERGEHEN“ – war einem Bildhauer gewidmet, der sich in den letzten Jahrzehnten an einem Skulpturbegriff abgearbeitet hat, der eng mit der Natur verknüpft ist: Wilhelm Scherübl. Der Künstler arbeitet in und mit der Natur, die ihm zur unbändigen Transformationsquelle von Energie, Kraft und Leben wird. Aus dem Gehen heraus entstehen künstlerische Arbeiten, sie werden daraus entwickelt und daraufhin reflektiert. Ver-Gehen zeigt das Verschwinden an. Oder eine Transformation: Die Ausstellung war vom 29. April bis 15. Juli 2023 zu sehen, es erschien ein von Johannes Rauchenberger verfasstes Katalogbuch in der art edition des Verlags Bibliothek der Provinz.
„FLEEING SHADOWS“ – eine lange vorbereitete Ausstellung des kanadischen Künstlers und Medienwissenschaftlers Henry Jesionka, traf vom 15. Juni bis 5. August auf die großen Krisenherde der Gegenwart: Vor dem beunruhigenden Hintergrund wiederkehrender nuklearer Bedrohungen durch Putin, angesichts der großen Migrationsprobleme der Gegenwart und angesichts der beispiellosen gesellschaftlichen Herausforderungen, die durch das Aufkommen künstlicher Intelligenz entstehen, hat die Ausstellung in drei präzise gestalteten Räumen ein Grabmal für J. Robert Oppenheimer, eine Ikone für Stephen Hawking, 3D-Skulpturen der Challenger Katastrophe von 1986 und eine "Elègie" für umgekommene Flüchtlinge im Mittelmeer in eine eindrucksvolle Schau verwandelt. Die Ausstellung fand in Kooperation mit dem Festival La Strada statt und wurde vom Innsbrucker Bischof Hermann Glettler eröffnet. Es erschien eine Katalogbroschüre mit Texten von Johannes Rauchenberger und Wenzel Mracek. Auszüge aus der Ausstellung waren in der Fastenzeit 2024 in der Universitätskirche in Innsbruck zu sehen.
Das Grazer Minoritenkloster wurde vom steirischen herbst '23 zur „Church of Ruined Modernity“ erklärt. „Church of ...“ klingt in der herbst-Semantik natürlich nach Schlingensief. Aber es wurde nicht eine „Church of Fear“ erneut beschworen, vielmehr eine Moderne zelebriert, deren sakraler Anspruch nur mehr Ruinen sind. Im Hof, im kleinen Minoritensaal, im Franziskussaal und – das besonders Spektakuläre an dieser Schau – im Dachboden des Klosters erzählten die „Humans und Demons“ von einer derart ruinierten Moderne: Zu ihr zählen Bauwerke ebenso, wie Weltanschauungen, die dämonisch waren. Und sind.
Die Ausstellung "CHURCH OF RUINED MODERNITY" des steirischen herbst ’23 wurde kuratiert von Ekaterina Degot, Pieternel Vermoortel und David Riff. Die gezeigten Werke waren fast alle Auftragswerke. Es waren Werke von Maria Loboda, Meg Stuart, Andrea Büttner, Eteri Nozadze, Pavel Brăila und Cyprien Gaillard zu sehen.
Im Parallelprogramm des steirischen herbst zeigte das KULTUM eine große Personale des steirischen Künstlers Peter Angerer. Der in Frohnleiten lebende Künstler zählt zu den reflektiertesten und konsequent am Puls und den Fragestellungen der Gegenwart arbeitenden Künstlern der Steiermark. Ausschnitte seines viel zu wenig bekannten Oeuvres aus den letzten Jahren wurden in der Herbstausstellung des KULTUM vom 16. September bis 16. Dezember 2023 im Parallelprogramm des steirischen herbst gezeigt: GEHEN & BLEIBEN. Vorderhand waren es Serien von Druckgrafiken, doch es geht dabei fast immer um Fragen der Gegenwart, sein Selbstverständnis einer digitalen Gesellschaft und die mit ihr verbundenen Ambitionen von Transparenz, Kontrolle und Freiheitsbeschneidung. Mit insgesamt 360 Einzelwerken und 13 Werkblöcken wurden in kippenden Häusern, aus dem Lot fallenden Formen, verlorenen Bodenhaftungen und Zwischenräumen, die sich immer wieder öffnen, fundamentale Gegenwarts- und Existenzerfahrungen in Kunst übertragen und transzendiert. Zahlreiche Künstlergespräche begleiteten die Schau, die alle digital abrufbar sind.
In Heinz Trenczaks lang vorbereiter Schau „Kunst der Flucht – Kunst der Fuge“, die an 13 Orten in Graz stattfindet, zeigt das KULTUM vom 2.– 22. Oktober im CUBUS die "3400 SEMMELN. Flüchtende. Helfende. Menschen" des Filmemachers selbst.
Stille Bilder, Schrift-Ikonen von Sehnsucht und Trost, präsentiert das KULTUM zur Weihnachtszeit und zum Jahreswechsel: Vom 18. November 2023 bis 6. Jänner 2024 zeigt der (aus Feldbach stammende), in Wien lebende Künstler Heribert Friedl, seit Jahren für seine „nonvisualobjects“ bekannt, "100 POEMS". Sprachverdichtungen von ungeheurer Einfachheit und Schönheit sind in den letzten beiden Jahren in einer „Druckwelle“ von Inspiration entstanden. Ursprünglich aus einem Moment existenzieller Trauer begonnen werden die auf Englisch gehaltenen Poems (die meist nur aus einem Wort bestehen) zu berührenden „Nachrufen“ hinein in eine Welt, von der man nicht wissen kann, ob sie überhaupt existiert. Sie berühren gerade dadurch die Musikalität für den Glauben. Die auf kleinen MDF-Platten gemalten Wörter und Farbflächen weisen in ihrem Schriftschnitt auf eine andere Zeit, aber auch auf eine andere Geschlechter- und Glaubensordnung. Zu Beginn des Jahres 2024 wurde dabei ein kleines Buch publiziert, das die Anmutung eines Gebetbuchs hat. Alle Bilder konnten für die Sammlung für Religion in der Gegenwartskunst des KULTUM durch eine Sondersubvention erworben werden.