CINEMA ALTERA. Thomas Henke – Retrospektive
Die Ausstellung zeigt die experimentellen Filmprojekte Das Fenster neben meinem (2002-2006), Liquid Identities (2003-2008), Social Dogma (2010-2020) und Meta-Porträts (2011-2018 sowie die großen Porträtformate Film der Antworten (2004-2009), Film der letzten Zuflucht (2018-2019), Samstagmittag, 12 Uhr (2021-2022). Neben dem frühen Experimentalfilm SINN (1999) und dem Film-Essay Felicitas Hoppe sagt (2017) sind auch die künstlerisch-theologischen Filmprojekte Porträts 1.13 (2014-2016) und Alpha-Omega-Letters (2016; beide in Zusammenarbeit mit Joachim Hake) zu sehen.
Die Filme und Video-Installationen werden in Ausstellungsarchitekturen von Lorenz Estermann präsentiert. So spiegelt die Retrospektive auch die langjährige künstlerische Kooperation von Peggy und Thomas Henke mit dem österreichischen Maler und Objektkünstler Lorenz Estermann.
Begleitet wird die Ausstellung durch Sonderveranstaltungen: Am Aschermittwoch, den 22. Februar 2023 und gleichzeitig als Abschluss der "iconic turn" Tagung in Kooperation mit der UNI Graz (Fachbereich Fundamentaltheologie) mit einem Gespräch zwischen Kurator Johannes Rauchenberger und Thomas Henke und am 16. März 2023 mit einem Gespräch zwischen der Schriftstellerin Felicitas Hoppe und dem Philosophen Thomas Macho, die in den vergangenen Jahrzehnten die künstlerische Arbeit von Peggy und Thomas Henke intensiv begleitet haben. Der bekannte Pianist Claudius Tanski wird dazu auf dem Klavier im Minoritensaal spielen.
Samstagmittag, 12 UhrEin Film von Peggy und Thomas Henke mit Martina Gedeck nach den Tagebüchern (1941–1943) Etty Hillesums
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Samstagmittag, 12 Uhr ist eine filmisch-performative Auseinandersetzung mit den Tagebüchern der in Auschwitz ermordeten Amsterdamer Jüdin Etty Hillesum auf der Grundlage einer für den Film bearbeiteten Textauswahl. Der Film folgt der Chronologie der Tagebücher, die mit der Beschreibung eines Verliebtseins beginnen und mit dem Abtransport nach Auschwitz enden. Vor dem Hintergrund des sich verdichtenden Wissens um die systematische Vernichtung der Jüdinnen und Juden sowie um ihre eigene Vernichtung beschreibt Etty Hillesum die letzten drei Jahre ihres Lebens voller Entwicklungs- und Verwandlungsprozesse: ihre tägliche „Arbeit an sich selbst“, ihre Hinwendung zum Inneren und Göttlichen, ihre Auseinandersetzung mit Leid und Tod, aber auch dem Vorwurf, zu passiv ihrem eigenen Schicksal gegenüberzustehen. Gerade in ihren letzten Aufzeichnungen beschreibt sie in eindringlicher Weise das Festhalten an ihrem inneren Schutz- und Freiraum, der in absolutem Gegensatz zu unvorstellbarem Leid und beispielloser Vernichtung steht. Der Film wagt einen Grenzgang zwischen den unauflöslichen Spannungsfeldern von subjektiver Annäherung und dramaturgisch-medialer Gestaltung einerseits und der Autonomie des Textes und Kontextes auf der anderen Seite. Dieser Grenzgang spiegelt sich in der filmischen Inszenierung wie in der Rolle Martina Gedecks. Dokumentarisch-performative Prozesse (des Vor-Lesens) sowie filmische und darstellerische Interpretationen (des Textes) erzeugen in ihrer Gleichzeitigkeit und Wechselseitigkeit eine fragile Erzählstruktur: die verkörpernd zur Sprache bringt, die Empfindungen von Berührung und Gegenüber ermöglicht, aber auch Distanz wahrt. „Samstagmittag, 12 Uhr“ ist die Zeitangabe des ersten Zitats Etty Hillesums im Film. |
Film der letzten ZufluchtEin Film von Thomas Henke in Zusammenarbeit mit Peggy Henke
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Film der letzten Zuflucht ist als eine Reise zu verstehen. Der filmische Weg geht dabei der Frage nach, wie innere Schutzräume erreicht werden können, die letzten Spannungen Raum geben. Die Reise folgt der Erinnerung eines Vaters, der sein Leben eingesetzt hat, um seinem Adoptivsohn eine Erfahrung von Zuflucht zu geben. Diese Vater-Sohn-Geschichte ist wie ein roter Faden durch die dokumentarisch-poetische Filmerzählung, die in ihrem Verlauf verschiedene (parallele) Suchbewegungen beschreibt, aber auch Zwischenstationen erreicht: eine Palliativstation, eine Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Begegnung mit einer Frau, deren letzte Zuflucht die Sprache geworden ist. Begleitet wird diese Reise von der Theologin und ehemaligen Äbtissin Sr. Luitgardis Hecker, der Schriftstellerin Felicitas Hoppe und dem Philosophen Thomas Macho. Den Spuren ihrer persönlichen Erfahrungen folgend, beschreiben sie zentrale Dimensionen (letzter) Zufluchtsbewegungen. Film der letzten Zuflucht reflektiert nicht nur die Herausforderungen des „Zufluchtgebens“, sondern zeigt in der Betrachtung vertikaler Migrationsbewegungen, dass die Suche nach Zuflucht eine Bedingung des Menschseins ist. |
Felicitas Hoppe sagtEin 3-Kanal-Film von Oliver Held und Thomas Henke mit und über die Schriftstellerin Felicitas Hoppe.
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Der aus dem umfangreichen Material eines Reise- und Gesprächsjahres erstellte Film Felicitas Hoppe sagt ist ein in bebilderte Szenen gesetzter Exkurs über Freiheit und Angst, über Einsamkeit, Gemeinschaft und Politik, über die Kunst des Aufbruchs und die Kreativität des Abschieds, der den Blick in beide Richtungen öffnet: Zurück zu den Mythen der alten Erzählung und nach vorn in eine Gesellschaft des Umbruchs, die Platz schaffen muss für das Neue, was kommt. Felicitas Hoppe, 2016
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Alpha-Omega-LettersDigitales Lexikon christlicher Grundbegriffe in Porträts
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Alpha-Omega-Letters ist ein filmisches Porträt-Projekt. Grundlage der Porträts ist jeweils ein einziges Wort. Alpha-Omega-Letterssind animierte Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Menschen, die in der Spur ihrer Lebenserfahrungen und eines langen Nachdenkens Grundworte des Christentums entfalten und interpretieren. Mit Sr. Corona Bamberg, Wolfgang Braungart, Wolfgang Büscher, Pater Stefan Dartmann, Pater Bernhard Eckerstorfer, Sr. Margareta Gruber, Johann Evangelist Hafner, Sr. Luitgardis Hecker, Felicitas Hoppe, Norbert Hummelt, Kardinal Walter Kasper, Ulrich Khuon, Erzbischof Heiner Koch, Hermann Kurzke, Pater Klaus Mertes, Johannes Rauchenberger, Pater Elmar Salmann, Annette Schavan, Claudius Tanski, Wolfgang Thierse, Hans-Dieter Zimmermann |
Porträts 1.13Ein Filmprojekt von Thomas Henke (Regie) und Joachim Hake, 2014–2015
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Corona Bamberg – Wolfgang Büscher – Tomáš Halík – Felicitas Hoppe – Thomas Hürlimann – Thomas Macho Die Porträtierten nähern sich auf der Grundlage geistiger und künstlerischer Grundmotive ihres Lebenswerkes „letzten Fragen“. Sie sprechen in das Offene eines unverfügbaren Endes hinein und öffnen einen metaphysischen Reflexionsraum. Auf diese Weise entstehen „eschatologische Porträts“ (Thomas Macho).
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Film der AntwortenEine filmische Installation von Peggy und Thomas Henke
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Der Film der Antworten basiert auf persönlichen Gesprächen, die Thomas Henke zwischen 2004 und 2009 mit zwölf Schwestern der Benediktinerinnen-Abtei Mariendonk am Niederrhein geführt hat. Das vierstündige filmische Dokument betrachtet das Lebenskonzept der Ordensschwestern. Diese begreifen sich selbst und ihr Leben als Antwort in einem permanenten Dialog mit Gott. Film der Antworten reflektiert die Wahrnehmung seelischer Prozesse, innerer Anfragen und Ausrichtungen. Die besondere Subjektivität der Kamera sowie der Gespräche bilden hierbei eine Einheit. |
Meta-PorträtsEin Filmprojekt von Thomas Henke
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Grundidee von Meta-Porträts ist die gegenseitige Herstellung persönlicher Videoporträts. Die Porträtierenden bzw. Porträtierten bestimmen selbst die Herstellungsbedingungen ihrer filmischen Dokumente. Der filmische Prozess wird durch gemeinsame Sichtungen und Gespräche mit den Porträtierenden begleitet. Meta-Porträts richtet sich an Personen, die sich in einem besonderen (Spannungs-)Verhältnis zueinander befinden und schließt die Darstellung von Beziehungen zu Verstorbenen mit ein. |
Social DogmaEin Filmprojekt von Thomas Henke
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Grundkonzept des filmischen Projekts ist die Herstellung filmischer Porträts im Rahmen einer medialen Patenschaft. Auf der Basis gewachsener Beziehungen entstehen komplexe (Selbst)-Porträts, die durch den partnerschaftlichen Herstellungsprozess das Spannungsfeld zwischen filmischer Realität und dem subjektivem Erleben des jeweiligen (Film)-Partners öffnen und bearbeiten. |
Liquid IdentitiesEin Filmprojekt von Thomas Henke
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Liquid Identities ist der Überbegriff eines modulartigen künstlerischen Großprojekts. Teilprojekte: Sarahs Video, Liquid Home, Broken Evidence, Value Box, Oblique Journey, Smashing Memories, Old School Profile Grundlage des Projekts ist die über lange Zeit gewachsene Zusammenarbeit mit einzelnen Jugendlichen und kleineren Gruppen von Jugendlichen. Diese leben im Rhein-Main-Gebiet und kommen aus den unterschiedlichsten sozialen und kulturellen Kontexten. Das selbsterzeugte Filmmaterial der Jugendlichen bildet die Basis für einen kontinuierlichen Dialog, der neue Perspektiven und Selbstpräsentationen initiiert. Im Laufe der Zeit sind so umfangreiche filmische Episoden entstanden, die Entwicklungslinien aufzeigen und spezifische mediale Inszenierungsformen dokumentieren. Die Videokamera wird zum selbstverständlichen Begleiter und Instrument, welche die komplexe Dynamik ihrer Lebenswelt zu spiegeln vermag. |
DAS FENSTER NEBEN MEINEMEin Filmprojekt von Thomas Henke in Zusammenarbeit mit Sandra Ließmann. Unterschiedliche Präsentationsformen, mit Installationsbauten von Lorenz Estermann, Deutschland, 2002 - 2006, DVCAM
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Fünf filmische Porträts wurden aus den Häusern der Porträtierten heraus auf Fenster projiziert: Jedes Haus zeigte das Porträt seines Bewohners. Die Projektion dieser filmischen Porträts markiert die Grenzlinie zwischen privatem und öffentlichem Raum, macht sie durchlässig und zeigt gleichzeitig die Unmöglichkeit des Privaten im Medium Film. |
SINNEin Filmprojekt von Thomas Henke
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Grundlage der filmischen Gespräche mit Menschen in einem Alter zwischen 20 und 35 Jahren ist die Reflexion innerer Signale, Empfindungen und Beobachtungen, die in den Momenten der Abwesenheit beziehungsweise der Rückkehr eines erkennbaren Lebenswillens spürbar werden. |