GEHEN & BLEIBEN. Der zeitanalytische Kunstkosmos von Peter Angerer
SELBER DENKEN |
Peter Angerer: „Selber Denken“, 2023, Grafik – Monoprint/Flachdruck, Linoldrucke; Schablonentext, Schablonenzahlen, Fotos/Netz, Text/Word; Format variabel, veränderbar, erweiterbar; Acryl, Text, Zeichnung auf LW
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ANFANG |
Peter Angerer: „Anfang“, Grafikunikate, Flachdruck, Schablonendruck, Schablonentext, 30cm x 40cm (Papier), 2020
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IDENTITY |
Peter Angerer: „Identity“, 2022, Bilderschienen, vielteilig, mixed media (Grafik, Foto, Zeichnung, Malerei)
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ERFINDUNG DER REALITÄT |
Peter Angerer: „Die Erfindung der Realität“, 2017, Grafikserie/Unikate, 10 Arbeiten, Monotypie, Elementendruck, Text, Zeichnung, je 59,4cm x 42cm |
GSTETTN |
Peter Angerer: „Gstettn“, Foto,1988, Radierungen, 2004/21, Hochdrucke/Schablonentext, Zeichnung, 2020-23
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FLUCHT |
Peter Angerer, Installation "Flucht", 2017–2022
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ÖFFNUNGEN |
Peter Angerer: „Öffnungen“, 2020,
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AHNUNGEN |
Peter Angerer: „Ahnung“, 2019, Grafikserie/Unikate, 15 Arbeiten, Monotypie, Text, Zeichnung, je 40cm x 30 cm
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AMBIGUITY |
Peter Angerer: „Ambiguity“, oder Versuche gegen die Vereindeutigung der Welt, 2021, Unikatgrafiken, je 42cm x 59,4cm
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TILTED HOMES |
„Tilted Houses“, 2022, Grafikserie/Unikate mit je mehrteiligen Blöcken, Monotypie, Elementendruck, Schablonentext, Zeichnung
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KAFKA |
Peter Angerer: Kafka Projekt, 2020: „Kafkas Tiere“
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GOING–STAYING |
Peter Angerer: „going – staying“, 2023, Grafikinstallation, vielteilig, offen; Monotypie, Zeichnung, Linoldruck, Elementendruck, Text (Schablonenschrift), Unikate; Abb.: 210cm x 450cm, digitalisierte Grafiken samt Erweiterungen/TV Gerät„Denken heißt überschreiten“ (Ernst Bloch) Das 2023 begonnene Grafikprojekt „going – staying“/“gehen – bleiben“ nimmt die Dualität von Statik und Prozessualität zum Ausgangspunkt der bildkünstlerischen Auseinandersetzung. Gehen und Bleiben stellen somit grundlegende Metaphern für den Prozess und die Struktur der Welt dar. Volker Adolphs verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Entwurf und Gliederung der Welt sich im Gehen und Bleiben konstituieren und damit das Bezugssystem vom Ich zur Welt grundieren. Der perspektivische Blick auf die Thematik kann dabei von unterschiedlichsten Ansätzen ausgehen. Dem philosophischen Bild „vom in der Welt sein“, der unser Weltverhältnis im Gegensatz von Dynamik und Ortsgebundenheit beleuchtet, steht die Thematik erzwungener Migration gegenüber, der die politischen Disruptionen der Gegenwart eingeschrieben sind. Einen weiteren Aspekt beinhaltet die angesichts medialer Durchdringungen sich verändernde Realität, oder das, was wir dafür halten. Dazu Volker Adolphs: „Eine merkwürdige Gleichzeitigkeit von Bewegung und Stillstand hat sich eingestellt. Wenn Bewegung total und allgegenwärtig ist, ist sie nicht mehr als Bewegung wahrnehmbar. Wenn sich alles bewegt, bewegt sich nichts. Daraus folgt aber nicht das Gefühl von Stabilität, unsere Wahrnehmung der Welt steht vielmehr entschieden und immer mehr unter dem Signum des Fließens, des Halt – und Rastlosen, des Vorübergehenden, der Selbstauflösung.“ Basis dieser Arbeit ist zusätzlich die Beschäftigung mit dem Thema „Wiederholung“ bzw. „Differenz und Wiederholung“ (Gilles Deleuze). Einzelne Tafeln kommen in dieser Arbeit in Varianten, Abweichungen analog und insbesondere als digitale Erweiterungen vor. Das Bleiben (unser Alltag) ist vielfach in Wiederholungszusammenhänge eingebunden. Nach Judith Butler ist Kunst auch ein „Raum der Koexistenz aller Wiederholungen“. Dem kritischen Potential von Wiederholung liegt ein Wandel des Kunstverständnisses zugrunde, zumindest eine Befragung des modernistischen autonomen Kunstwerks. Re-Aktualisierung, Globalisierung und Digitalisierung sowie Verfahren der Systematisierung befördern neue Aneignungsmodi in der Ausbildung unseres Wirklichkeitsverhältnisses. Das Prinzip der Serialität – ein wesentlicher Grundzug meiner Arbeit, sieht im Bild wesentlich die „In-Beziehung-Setzung“, samt einem Verweis auf die Tatsache, „es könnte auch anders sein“. Die Dichotomie von gehen und bleiben, Wandlung und Konstanz, Bewegung und Ruhe, Dynamik und Statik, fremder Ferne und vertrauter Nähe, Außenwelt und Innenwelt bildet zwar den Ausgangspunkt, wird jedoch aufgelöst mit paradoxen Begriffspaaren wie „Dynamische Stabilisierung“ (H. Rosa), „rasender Stillstand“ (P. Virilio) oder „Das relative Bleiben“. B.C. Han schreibt in Referenz bzw. im Widerspruch zu Hannah Arendt (Vita activa) über die Intensität der Untätigkeit (Vita Contemplativa) und fordert gleichsam ein Innehalten in einem Leben, dass nur mehr über Reiz und Reaktion funktioniert. Hartmut Rosa betont, dass die Struktur (das Bleibende) moderner Gesellschaften nur mehr über den „Modus der Steigerung“ aufrechterhalten werden kann – Wachstum, Beschleunigung, Innovationsverdichtung als Auslöser sozialen Wandels, die weitreichende gesellschaftliche Desynchronisationseffekte auslösen. Rölli wiederum betont, dass das Bleibende nur vermöge unserer groben Organe da ist, was so also gar nicht existiert. Feinste, absolute Bewegungen der Wirklichkeit können wir demnach einfach nicht nachvollziehen. Ähnlich Wolfgang Welsch, der den Menschen grundsätzlich als ein Wesen der Übergänge sieht und unser Denken vom alten Substanz- und Stabilitätsideal weg, hin zu einem Denken der Prozessualität, der Flexibilität, der Übergänge und Verflechtungen beschreibt. „Ein jedes Seiende ist, was es ist, vielmehr durch die Prozesse, die zu ihm geführt haben und durch die Relationen, in denen es steht.“ (Welsch)
Literatur:
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UNVERFÜGBARKEIT |
Peter Angerer: UNVERFÜGBARKEIT, 2019, Grafikunikate
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II. OG: SYSTEMS |
Peter Angerer: Systems, 2020, 101 Grafiken (Hochdruck, Flachdruck, Zeichnung, Schablonenschrift), je 70x50cm, Unikate
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>> Video-Führung von Kurator Johannes Rauchenberger