Heinz Trenczak: 3400 Semmeln
Er ist mittlerweile ein Zeitdokument: Der Film von Heinz Trenczak, der im KULTUM für das an 13 verschiedenen Orten in Graz realisierte Projekt „Kunst der Flucht. Kunst der Fuge“ gezeigt wird. Während Freiwillige 2015 in der Steiermark Kleidung sammelten, an Grenzübergängen heißen Tee an frierende Ankommende ausschenkten und in hunderten kleinen Ortschaften Deutschunterricht in Flüchtlingsquartieren organisierten, griffen Trenczak und zehn weitere Filmemacher*innen zur Kamera. Fünf weitere Jahre lang dokumentierten sie die Schicksale von Menschen, die Krieg und Flucht überlebt hatten, aber auch von jenen, die sie nach ihrer Ankunft in Österreich menschlich unterstützen. In „3400 Semmeln“ dokumentiert Heinz Trenczak aber auch die Proteste für eine menschlichere Asylpolitik und das legendäre Protestcamp im Grazer Stadtpark, in dem syrische und irakische Asylsuchende auf überlange Verfahrensdauern, verzögerte Familienzusammenführungen und die Gefahr für ihre Angehörigen im Kriegsgebiet hinwiesen.
Schauplätze wie das Protestcamp im Stadtpark, das Transitlager Schwarzlhalle, der Gemeinschaftsgarten der Plattform Willkommenskultur in Mureck, der Grenzübergang Spielfeld mit der selbstorganisierten Küche und die Kleiderausgabe des Spendenkonvois Graz zeigen die Vielfalt an Initiativen der Zivilgesellschaft in der Steiermark, die seit 2015 entstanden ist.
Der Film „3400 Semmeln“ ist der persönlichste und engagierteste Beitrag zum Projekt an 13 Orten im Partnerprogramm des steirischen herbst, in der der Autor Denksprünge macht von den Darstellungen der biblischen Menschheitsgeschichten – sowie der eigentlich permanenten Wanderung des Volkes Israel – zur Grunderfahrung von Flucht so vieler Millionen Menschen in der Gegenwart. Das Projekt will mittels der Gegenüberstellung von historischen Darstellungen und aktuellen Videoaufnahmen einen Erkenntnisschub provozieren: Zum einen ist das Thema Flucht so alt wie die Menschheit, zum anderen müssen wir lernen, für eine Zukunft gerüstet zu sein, die uns noch weit mehr abverlangen wird als bisher – wenn z. B. in Afrika Trockenheit und Dürren zunehmen, wenn in südöstlichen Inselregionen der steigende Meeresspiegel ganze Atolle zum Verschwinden bringen wird oder wenn Diktaturen Menschen vermehrt in die Flucht treiben.