Michael Endlicher: ZEICHEN SPRACHE IRONIE
Endlichers Werk ist wie kaum ein zweites mit Buchstaben, Sprache und der sensiblen Erkundung und Analyse gegenwärtiger Sprach- und Sprechdiskurse verbunden. Es greift ein in die sprachlichen Verdrehungen der Gegenwart, reflektiert die Sackgassen, in die wir uns hineinmanövriert haben, deckt die Lügen und Absurditäten von Ideologien, (auch Glaubenssystemen) auf, aber legt dabei – auch mit den Mitteln des Absurden – nicht selten ihren mystischen Kern frei.
Michael Endlicher denkt sehr grundsätzlich über das Medium „Bild“ nach. Dieser Denk- und Arbeitsprozess dokumentiert sich in dieser Schau mit Werken aus einer Zeitspanne von 25 Jahren. Die jüngsten Bilder sind dabei jene, die die Urbausteine von Sprache und Information thematisieren: Null und Eins, A und Z. Die ältesten sind jene Bilder, die reflektierende Schrift auf das Bild schreiben. Etwa: „DIESES BILD AKZEPTIERT LANGEWEILE ALS ÄSTHETISCHE KATEGORIE“. Oder: „DIESES BILD GIBT DER FORM LÖSUNGEN, DIE SIGNIFIKANT SIND, EINGEKLEIDET IN EINE HOHE MORALISCHE BEDEUTUNG.“
Auffällig in Endlichers künstlerischem Erkunden von Sprache, Bild und Bedeutung ist seine Nähe zu religiösen Sprachspielen oder auch -diskursen, die sich über Jahre vor allem in der Thematisierung von Litanei-ähnlicher Sprache manifestierte. Aber auch das Medium Bild als solches wird auf der Basis religiöser Bildgeschichte reflektiert. So lautet eine Inschrift auf einem frühen Bild (2001) aus dieser Ausstellung: „WENN DIE KUNST FRÜHER ASKESE ODER DAS LEIDEN CHRISTI UND DER CHRISTLICHEN MÄRTYRER GEZEIGT HAT, SO WIRD DANK DER AVANTGARDE DIESES BILD SELBST ASKETISCH UND LEIDET UNTER ALLEN MÖGLICHEN VERUNSTALTUNGEN, VERUNREINIGUNGEN UND BLESSUREN. ES WIRD JETZT SELBST ALS KÖRPER VERSTANDEN, DER LEIDET – UND NICHT MEHR NUR ALS BLOSSES UND GLEICHGÜLTIGES MITTEL, UM FREMDE LEIDEN DARZUSTELLEN.“
Der Titel der Ausstellung ist gleichzeitig auch ein „Dramenblech“, wie Endlicher eine Werkserie nennt, die über Jahre geht. Dieses beginnt mit der Zahl „70“: Die Wörter ZEICHEN – SPRACHE – IRONIE haben als Einzelworte, wenn man ihren alphanumerischen Wert jeweils zusammenzählt, jeweils die Summe „70“:
Ein Beispiel von Endlichers bekannten „Dramenblechen“, das hier den Titel der Ausstellung bildet. Drei Worte also, drei Zeilen, darüber eine Zahl: Hinter Michael Endlichers „Dramenblechen“ stehen die „alphanumerischen Codes“. Das ist eine bis in die jüdische Kabbala reichende Technik, nach einer Mystik des Wortes zu suchen und sie scheinbar rational zu begründen. Viele solcher geprägter Blechtafeln – eigentlich in Schwarz-Weiß – sind in der letzten (oder ersten – es kommt darauf an, welchen Weg man wählt) Ausstellungszelle im II. Stock des Minoritenklosters am Boden aufgereiht.
Man kann dort die Mystik all dieser Dramen von Gott, Welt und Existenz studieren: Dazwischen spannt sich die Ausstellung, die mit „01“ und „AZ“ bereits im Arkadengang beginnt und im traditionellen Stiegenhaus (Stiege Süd) zwischen dem zweiten und ersten Stock über den historischen Speisesaaltischen des Minoritensaals mit der Aufschrift „CONTINUITY“ und „DISRUPTION“ endet, auf einem sehr großen Ausstellungsareal auf.
Mit einer kleinen Auswahl derartiger „Dramenbleche“ war Michael Endlicher bereits vor 10 Jahren in einer Ausstellung im steirischen herbst 2014 („Dort, wo unsere Sprache endet, komme ich jeden Tag vorbei“) das erste Mal im KULTUM präsent. Seither ist er Teil unseres Museums, das sich nach und nach erweitert, in immer neuen Ausstellungen. Das gilt auch für Michael Endlichers Präsenz in diesem fortschreitenden Museumsprojekt: Bei „SPIRO – SPERO“ (2017) und bei „EINATMEN – AUSATMEN“ (2021) hinterließ er seine Spuren – und Werke.
So ist seit der Eröffnung des neu renovierten Minoritenzentrums der die Spiegel und Stellagen für Gläser bekrönende Barbereich im Eingang zum Minoritensaal mit „WHO IS AFRAID OF NEW NORMAL?“ permanent bestückt: Eine Erinnerung an eine dramatische Zeit, mit dramatischen Aussagen zur „neuen Normalität“ (des damaligen Bundeskanzlers), damals als Block in der Ausstellung „EINATMEN – AUSATMEN“ präsentiert – der Ausstellung zur Wiedereröffnung des neu renovierten Minoritenzentrums, die sich nicht nur der Beseelung oder Beatmung des alten Gebäudes, sondern gleichzeitig, mitten in der Corona-Pandemie, um den „Atem“ sehr allgemein, auch jenen der Gesellschaft, kümmerte. Nicht nur um jenen für den eigenen Körper, sondern auch um jenen für die Gesellschaft.
Die für diese Ausstellung neu entstandene Spiegelschrift im Barbereich reflektiert – wörtlich genommen – das Gegenüber mit seiner Frage nach der Angst vor der neuen Normalität: „Who is afraid of?“ „AM I?“, „I AM“. „I AM NOT…“ Bitte auswählen! Beim Lesen der Schrift – wenn man auf dem Barhocker sitzt, bei einem Glas Wein, einem Bier, einem Wasser, was auch immer, kommt man jedenfalls um die eigene Spiegelung nicht herum.
Michael Endlicher stellt in seiner Kunst allgemeine Fragen. Sie sind existenzieller Natur, ebenso aber gesellschaftlicher und politischer. Um ganz von vorne noch einmal anzufangen: Eine Brise eines Windzugs im Arkadengang im Hof vor dem Minoritensaal lässt die beiden gefrästen Metalltafeln mit ihren ausgeschnittenem „01“ und „AZ“ höchst lebendig werden.
Die beiden „Zeichen“ werden in der Ausstellung mehrmals wiederkehren, als scheinbare Zählung der Stockwerke, wenn man die Stiegen hochsteigt. In ihnen ist sozusagen vorab alles gesagt – die Realität der virtuellen Welt und der Inhalt, zu der Buchstaben in ihren Kombinationen fähig sind. Sie flackern leicht im leichten Wind. „Z“ ist im Kontext der Gegenwart des andauernden Ukraine-Kriegs freilich auch ein Widerstand gegen seine Besetzung durch russische Propaganda und der Treue zu Putin.
„Z“ ist auch das Ausstellungssujet. Es erinnert an Röntgenbilder. Michael Endlicher, Sohn eines Schriftsetzers, hat sich über die Jahrzehnte mit unterschiedlichsten Schriftschnitten beschäftigt. Hier hat er alle möglichen „Z“ übereinandergelegt und sie so einer sprichwörtlichen „Durchleuchtung“ unterzogen. In der Ausstellung werden noch Variationen von „A“ (gleich zu Beginn vor der Stiege), von „0“ und „1“ (an den Sichtbetonfronten der jeweiligen Stiegenläufe in den entsprechenden Geschoßen) folgen. Zu durchleuchten, durch die Oberflächen hindurch, nicht nur zu verdichten, ist Endlichers grundsätzliche Strategie, wenn er Kunst macht.
Verdichten freilich ist ihm visuell ebenso wichtig. So kann es sein, dass sich Worte so verdichten, dass sich im Zusammenschieben ihrer jeweiligen Buchstaben formschöne Bilder ergeben. Um es vorwegzunehmen: „HALLELUJA“, das Frontbild am Anfang des Südganges im II. Stock, ist ein derartiges Bild; es wurde, wenngleich schon 2019 entstanden, ganz neu für diese Schau gefräst und geprintet. Es ist ausnahmsweise nicht ironisch, sondern schlicht und einfach schön. Oder vielleicht doch?
Ist „HALLELUJA“ womöglich ein Stoß-Seufzer, mit dem man die Ausweglosigkeit einer Situation kommentiert? Letzteres trifft vielleicht auch auf das Bilderpärchen am Ende des neuen Stiegenhauses West im 2. Stock zu, doch macht es seine sie begleitende Ironie noch schöner: Nicht nur mit „aMen“ wird hier Zustimmung signalisiert, sondern auch, ganz gendergerecht, mit „aWomen“.
Ungleiche Geschlechterparität in Glaubensdingen und doch gemeinsames, rituell wiederholtes Abnicken seiner Inhalte durch bipolare Absender: Ist es am Ende doch dasselbe? Oder nicht? Sollte man die Differenzierung von AMEN einführen, auch an diesem Ort?
Orte sind für Michael Endlicher bestimmend, wenn er seine Kunst zeigt oder auf sie „reagiert“. Das können verfallende Hauswände sein, oder, wie zuletzt, ein großer Screen am Wiener Graben. Die Ur-Bausteine von Schrift und digitaler Welt, AZ und 01, mit denen er hier im Minoritenzentrum seine Ausstellung beginnt, werden hier freilich substanziell in ein „Mission Statement“ dieses Ortes überführt. Denn ein regelmäßig blinkendes rotes „NEG“ drängt sich allen Besucherinnnen und Besuchern auf, wenn man sich dem Eingang nähert. „NEG“ klingt nach Verneinung. Was aber wird verneint?
Das „OTIUM“. Wie es für diesen alten Ort geziemt – ein wenig Latein. OTIUM und NEGOTIUM sind hier als Gegensatzpaar von „Muße“ und „Aufgabe“ gegenübergestellt. Man könnte also quasi im Kasssabereich zwischen „Freizeit“ oder „Geschäft“ entscheiden – je nachdem, in welcher Absicht man hier tätig ist oder seinen Besuch gestaltet. Und im lateinischen Setting (ohne Leerzeichen) ist dann aus dem deutschen „Ich bin“ – auf der dahinterliegenden Fensterfolie – ein „IAM“ zu lesen. „Iam“ aber bedeutet „schon“.
Man könnte diese „Site-Spezifik“ aber auch an der Auswahl der gezeigten Bilder festmachen. Wenn man aus dem barocken Minoritensaal in den neu gestalteten Stiegen-West-Trakt blickt, ist in ziemlicher Tiefhängung ein kleines Bild mit dem Satz: „ICH NEHME“ zu sehen; umgedreht ist es aber auch mit „ICH GEBE“ zu lesen: Mitunter kann man Endlichers Bilder drehen.
Das ist genauso eine Referenz auf das „Brotvermehrungsbild“ von Johann Baptist Raunacher (1732) des Minoritensaals, wie es dann die anschließende Dramenblechserie „62: GOTT MENSCH KRISE“ abbildet, die unmittelbar hinter dem großen barocken Bild in der neu errichteten „Stiege West“ im neuen Minoritenzentrum hängt:
GOTT – MENSCH – KRISE bilden demnach ebenfalls, wie oben bereits erwähnt, das Verfahren des alphanumerischen Werts ab: Nur ist diese Serie nicht einfach eine von leicht lesbaren Worten, vielmehr sind es Bilder, deren Hintergrund mit den Worten und der Zahl „62“ geprägt sind. GOTT, dessen Wert 62 ausmacht, MENSCH, dessen Zahlenwert ebenso 62 ausmacht, werden in das Wort KRISE dramatisiert.
So arbeitet Michael Endlicher, wenn er ortsspezifisch arbeitet und seine Ausstellungen konzipiert, von denen mitunter oft mehr bleiben sollte, als nicht selten geblieben ist: Das gilt vor allem für seine raumgreifenden Sprachbilder, die er mit Schablonenschrift sprayt und sie dann mit ganz realen Buchstabenbildern kombiniert. Aus letzteren baut er je neue Sätze, orts- und zeitabhängig: Bevor er sein „WHO IS AFRAID OF NEW NORMAL?“ im Netz teilte, schrieb er – in den ersten Tagen des Lockdowns in der Corona-Pandemie im März 2020, als die kollektive Existenzangst wirklich groß war, schlicht „STAYING ALIVE“ mit seinen neuen Buchstabenbildern, mit denen er fortan künstlerisch hantierte und entsprechende Sätze baute.
Die Faszination des Künstlers für seine beweglichen Lettern als Bilder führte ihn auch in Drei-Dimensionalität. Bildertürme entstanden schließlich, einer ist auch im Südgang des 2. Stocks zu sehen: Der „EXNOVATION“ (Ausstiegsprozesse aus nicht-nachhaltigen Strukturen im Gegensatz zur INNOVATION) auf der einen Seite steht die „SUFFIZIENZ“ (das richtige Maß im Gegensatz zur Effizienz) auf der anderen Seite gegenüber; auf den Schmalseiten hinterfragen LEBEN und KUNST einen vermeintlichen (?) Gegensatz.
Für das Minoritenzentrum gestaltete er für diese Ausstellung die hohe, zwei Stockwerke umfassende Westwand des neuen Stiegenhauses mit dem Titel: „HERZMARY“. Sie wird Teil eines neuen Museumszugangs und interpretiert den Ort „Mariahilf“ neu: Die Arbeit kondensiert mit exakt 56 Einzelbuchstaben ein altes Wallfahrtslied dieses Ortes und setzt dabei den gesprayten Buchstaben. die die Greundebene bilden, zwei „Fremdworte“ als reale Buchstabenbilder entgegen. Das eine ist selbstredend in Gold, das andere in Rot gehalten: Die mittelalterliche Mystikerin Hildegard von Bingen (1098-1179) hatte ein seltsames Glossar erfundener Wörter – mehr als 1000 – in einer eigenen Geheimsprache geschaffen. Jene für „Gott“ und „Teufel“ lauten: „AIGONZ“ und „DIJELIZ“ – treffen sich in jenem Buchstaben, der nicht nur in dieser Ausstellung eine wichtige Rolle spielt: dem Z. Die Installation endet jedenfalls im Gleichklang mit der Intention des Ursprungstextes: HoffnungHerzMary.
Die Anrufung GNADESIEHILFEHAUSFRIEDENKOENIGINLIEDWENNHOFFNUNGHERZMARY, die Endlicher hier an die Wand schreibt, fügt sich durchaus in das jahrzehntelange Erkunden des Künstlers von Sprache, auch ritueller Sprache, die im exzessiven Betreiben von „Litaneien“ vor mehr als 20 Jahren begann (dabei ratterte er auch seinen eigenen Namen – ein Katalogtitel mutiert etwa von Ähnlicher über Entlicher, Entlicker und Kindlicher zu Endlicher).
Sie ist – freilich völlig pervertiert – auch noch in der jüngsten, hier erstmals zu sehenden Arbeit auffindbar, die als eine der ersten in dieser Ausstellung im Kleinen Minoritensaal zu sehen ist: „I WILL KILL YOU“. Ein Video „über das Töten, das erbarmungslose Morden“, das uns unmenschlich (?) macht. Oder macht es uns erst zum Menschen, zum Un-Tier? Der Künstler kann „nichts verhindern – aber versuchen, den Schrecken zu bannen“ wenn er ihn „ausspricht, zerredet“ (Michael Endlicher), wie er über dieses jüngste Werk zu Protokoll gibt. Überraschung am Ende: Da ist er selbst der Totgeweihte und wartet auf die Exekution.
Über einen Ausstellungweg von drei Stockwerken hinweg sind weitere Videos Endlichers in dieser Schau gesetzt, die sich mit gemalten Bildern, geprinteten Lettern, gestanzten Dramenblechen oder gefrästen Buchstaben abwechseln: Eines davon, ganz unscheinbar an der Ecke von „HERZMARY“ angebracht, ist das ebenfalls umzudrehende Bild „MARY“, dessen Buchstaben der Künstler zu „ARMY“ verschoben hat. (Das „Mariahilf-Bild“ galt nicht zuletzt in der Zeit der Türkenkriege auch als Siegesbanner.)
Als heutige Glaubensapostel in Schneidersitz und Schwebehaltung porträtiert sich der Künstler im Video „I have to believe“, das in einem Extra-Zimmer ganz nahe dem „HERZMARY“ und dem „aWomen“ und „aMen“ positioniert ist. Zwei (digital geklonte) Endlichers sagen sich alle nur erdenklichen „Glaubensbekenntnisse“ zu: Varianten, was ein ICH so glauben kann, reichen vom religiösen Bekenntnis, einer blasphemischen Persiflage bis hin zum Sex als dem großen Anderen.
Ob wir weitersehen werden, wie es am Ende ein wenig enttäuschend heißt? Dabei war auf einem der bunten, monochromen Blechen einen Stock tiefer – Michael Endlicher nennt sie „AUTOMAGICS“ – noch „MYMINDISIMMORTAL“ schwer, aber doch zu entziffern: Man könnte dies als ein wenig ironisches Credo lesen.
„Leibhaftig plurifakt“, das diesem großen „Credo“ anschließende Werk, zersetzt den Künstler leiblich bis hin zu Auflösung ins Nichts. „Ich halte mich immer zurück“ oder „Ich vertraue immer dem Wort“, die zwei Siebdrucke, die mit diesem Video kombiniert sind, ist auch ein Spiel mit der Künstleridentität, über vermeintliche Erfolge und: Verzweiflungen.
Nach und nach hat Michael Endlicher nicht nur existenzielle, sondern auch gesellschaftliche Fragen in seinen Videos thematisiert; Protagonist ist auch hier der Künstler selbst.
Zwei davon werden in der Mittelzelle der Ausstellungszellen im 2. Stock präsentiert. „Aber aber aber“ zeigt den Künstler, fast versunken im Neusiedlersee, wie er stellvertretend für seine Betrachterinnen und Betrachter alle möglichen Argumente vorbringt, das Leben angesichts des drohenden Klimakollapses doch nicht zu ändern… Und bei „Ich möchte Folgendes klarstellen“ entschuldigt er sich als Nachrichtensprecher (in einer synchronisierten Frauenstimme) bei allen möglichen Gesellschaftssegmenten und distanziert sich von ihnen – political correctness sozusagen auf die Spitze getrieben, die uns jeden Atem nimmt.
Die Projektionsfigur, als die sich Michael Endlicher in seinen Videos inszeniert, ist freilich nur dann gelungen, wenn sie sich für die Sanierung der gesellschaftlichen und existenziellen Missstände in die Pflicht nehmen lässt. Will heißen: wenn sie Nachahmerinnen und Nachahmer findet, die seine Appelle teilen oder ihren Inszenierungen auch widersprechen.
Wie groß die Lust des Künstlers Michael Endlicher am Kombinieren, Zerteilen, Zerstückeln und Neuzusammensetzen ist, zeigt schließlich abschließend ein ganz anderes Medium, das er in dieser Ausstellung in der letzten der drei Ausstellungszellen im 2. Stock das erste Mal öffentlich präsentiert: Klebecollagen von Zeitungs- und Magazinausschnitten, die nicht nur eine erhebliche Schaulust beim Betrachter, der Betrachterin entfachen, sondern auch eine erhebliche Lesezeit des Herstellers voraussetzen: Durch Neuzusammenstellungen hat Michael Endlicher faszinierende Neuerzählungen durch Bilder gebaut, ganz ohne Schrift.
Es ist fast so, als ob ein (ziemlich subversiv) unter einem – etwas naiv gerateten barocken Heiligenbild mit Lilie und Segensgestus in „Salvator-Mundi“-Manier aus dem Bestand des alten Klosters gehängtes Werk mit dem Titel „Holz“ recht behalten würde, auf dem in alter Minuskelschrift der Satz gelasert ist: „DIESES BILD HAT IMMER DAS LETZTE WORT.“ (Damit ist freilich das Bilderbuch Endlichers gemeint.)