Maaria Wirkkala: NUN MEHR – MEANTIME

In der Ausstellung „Himmelschwer“ (Graz 2003 – Kulturhauptstadt Europas) hat sie Graz mit ihren vier goldenen Leitern (u.a. über dem Landhaus und der Burg) verzaubert, nach dem Umbau 2011 bestritt sie mit der Ausstellung „Sharing“ die erste Einzelausstellung in den damals neuen Räumen: Die finnische Künstlerin Maaria Wirkkala. Ein Zug von Tieren balancierte damals in schwindelnder Höhe über den Klosterhof – hin zu einem Ort der Sehnsucht, die sie in einer Kinderzeichnung mit Engeln der damals Vierjährigen fanden. In die Lehmwände hat Wirkkala eine „Permanent Collection“ eingelassen – die Bilder aus der Frührenaissance – Fragmente von Kunstkarten – sind immer noch hinter der vernarbten Wand. Das war der Anfang der Museumsidee für Gegenwartskunst und Religion, die nun, mit der jüngsten Erweiterung zum 50. Geburtstag des KULTUM, Wirklichkeit wird. Aus diesem Grund wurde Maaria Wirkkala nunmehr erneut eingeladen und gebeten, die nun ganz neu gerichteten und miteinander verbundenen Museumsräume mit einer großen Ausstellung mit der ganzen Poesie ihrer Arbeit zu bespielen. NUN MEHR handelt von der Transzendierung von Zeit und Raum. Die Schau erzählt von der Verbindung unterschiedlicher Weltanschauungen, ja Kontinente. Ein großes Foto holt Istanbul in die Ausstellung hinein: „Unaccompanied Luggage“ transzendiert in einer alten Säulenhalle Verlorenheit und Würde, die Angst vor Bomben im Gebäck. Es wurde in der Yerebatan Zisterne, einer antiken Wasserzisterne in Istanbul aufgenommen.
Das Foto ist Teil dieses Raums. In „Found a mental connection II“, der Arbeit mit Tieren auf der Hängebrücke, die im KULTUM schon zwei Mal (2011 und 2017) zu sehen war, hatten den Koran und die Bibel als Brückenköpfe: Eine weitere Erinnerung. Und die Postkarten der Renaissance-Maler reflektieren die gegenwärtigen Herausforderungen mit jenen der Vergangenheit. Wirkkala setzt mit Ästhetik einen Kontrapunkt gegen Hass und Spaltung. In der Schönheit ihrer Werke hat die Gegenwart Platz.
Jeder der Räume erhält in der Ausstellung seine ganz eigene, ganz sinnliche und ästhetische Evidenz: Die „Permanent Collection“ wird für die Ausstellung wieder geöffnet. Eine „Chapel for Something Else“ wird eingerichtet. Dabei ist der Schatten realer als die Wirklichkeit. Aus dem alten Turm strömen Steine, in ihm ist jene Kinderzeichnung der damals vierjährigen Maaria mit ihren „Enkeli“ (Engel), die noch heute reproduziert wird und zu der 2011 die Tiere flüchteten – eine Metapher für die Flüchtenden weltweit.
In den leeren Gängen hallen in der Ausstellung Schritte und konzentrieren dieses alte Gebäude auf den nächsten Ort der Kontemplation. Geflammte Lagerboxen bergen das Volumen eines Menschen, einen goldenen Ring, eine zerbrochene Leiter, eine Kugel aus Glas, einen vergoldeten Stuhl. Und Wasser tropft von der Decke in ein großes Gefäß. Die Reflexion des Wassers hat eine Kraft. Ein kostbarer mundgeblasener Glasbecher (ihres Vaters, der ein weltbekannter Designer war) schwingt auf einer Schaukel, die am Ende des Ganges befestigt ist: Ihr Ausblick führt an der Schönheit der Minoritensaal-Fassade vorbei, hinüber zum Garten. Gleißendes Licht strömt hingegen aus einer ersten Zelle. In der letzten verdeckt eine sandgestrahlte Glaswand die Aussicht zum gegenüberliegenden Krankenhaus: Sie ist mit zahlreichen Spritzen durchstoßen. Ist es genug?
Einen Stock tiefer, im großen Ausstellungsraum, ist ein Breitbandvideo zu sehen, der eine alte Kutsche ins Bild kommen lässt, die in den Lüften schwebt; sie erscheint wie ein Karussell. Ihr Ziel ist ihr Auftrag: „Wait to be fetched“. Das Nachdenken über den Tod ist der Beginn der Schau. Doch davor, am Eingang, empfängt ein roter Luftballon, der zart ein kleines Zebra führt, das am Boden grast, die Besucherinnen und Besucher.
Maaria Wirkkala, geboren 1954, lebt in Espoo (Finnland) und in Südfrankreich. Sie hat auf dieser Welt viele Orte verzaubert. Einige sind in einer Werkschau im Cubus als Diaschau zu sehen. Fast immer arbeitet sie mit ortsspezifisch. Sie nahm vier Mal auf der Biennale von Venedig teil, einmal als Vertreterin Finnlands. Sie arbeitete mit den Kuratoren Harald Szeemann und Renè Block zusammen, der auch die letzte Retrospektive im Sara Hildén Art Museum in Tampere (Finnland) eröffnete, die Sarianne Soikkonen kuratierte. Die Werke der Schau in Graz stammen aus dem Besitz des Sara Hildén Art Museums und der Künstlerin, für deren Leihgaben wir zu großem Dank verpflichtet sind.
In the exhibition “Himmelschwer” (Graz 2003 - European Capital of Culture), she enchanted Graz with her four golden ladders (above the Landhaus and the castle, among others); after the renovation in 2011, she held her first solo exhibition in the then new rooms with the exhibition “Sharing”: The Finnish artist Maaria Wirkkala. A train of animals balanced at dizzying heights over the monastery courtyard - towards a place of longing, which they found in a child‘s drawing of angels by the then four-year-old.
Wirkkala has embedded a “Permanent Collection” in the clay walls - the fragments of postcards of early Renaissance are still behind the scarred wall. This was the beginning of the museum‘s idea for contemporary art and religion, which is now becoming a reality with the latest extension to mark KULTUM‘s 50th anniversary. For this reason, Maaria Wirkkala has now been invited once again and asked to present the poetry of her work in a large exhibition in the now completely redesigned and interconnected museum spaces.
NUN MEHR is about transcending time and space. The show tells of the connection between different world views, even continents. A large photo brings Istanbul into the exhibition: “Unaccompanied Luggage” transcends loss and dignity, the fear of bombs in pastries in an old portico. It took place in Yerebatan Cistern an ancient underground water reservoir in Istanbul.
In “Found a mental connection II”, the work with animals on the suspension bridge, which has already been shown twice at KULTUM (2011 and 2017), had the Koran and the Bible as bridgeheads: another reminder. And the Renaissance painters‘ postcards reflect the challenges of the present with those of the past. Wirkkala uses aesthetics to set a counterpoint against hatred and division. There is room for the present in the beauty of her works.
Each of the rooms in the exhibition will be given its very own sensual and aesthetic evidence: the “Permanent Collection” will be reopened for the exhibition. A “Chapel for Something Else” will be set up. The shadow is more real than the reality. Stones stream out of the old tower, in it is the children‘s drawing of the then four-year-old Maaria with her “Enkeli” (angel), which is still in production today and to which the animals fled in 2011 - a metaphor for refugees worldwide. Footsteps echo in the empty corridors of the exhibition, focusing this old building on the next place of contemplation. Flamed storage boxes hold the volume of a human being, a golden ring, a broken ladder, a ball of glass, a gilded chair. And water drips from the ceiling into a large vessel. The reflection of water has power.
A precious glass goblet filled with water (designed by her father, who was a world-famous designer) swings on a swing attached to the end of the corridor: Arises the question which is more important the glass or the water. Your view leads past the beauty of the Minoritensaal façade, across to the garden. Glistening light streams from the first cell. In the last, a sandblasted glass wall obscures the view of the hospital opposite: it is pierced with numerous syringes. Is it enough?
One floor below, in the large exhibition room, there is a broadband video showing an ancient hearse flying in the air like a carousel floating into view. Its destination is its mission: “Wait to be fetched”. Reflecting on death is the beginning of the show. But before that, at the entrance, visitors are greeted by a red balloon delicately carrying a small zebra grazing on the ground.
Maaria Wirkkala, born in 1954, lives in Espoo (Finland) and in the south of France. She has enchanted many places around the world. Some of them can be seen in a slide show at Cubus. She almost always works site specific with the material she finds. She has taken part in the Venice Biennale four times, once representing Finland. She has worked with the curators Harald Szeemann and Renè Block, who also opened the last retrospective at the Sara Hildén Art Museum in Tampere (Finland), which Sarianne Soikkonen curated. The works in the show in Graz come from the Sara Hildén Art Museum and the artist, for whose loans we are greatly indebted.