Taufe im Licht | Baptism in the Light

Schutzengelkirche, Graz

Der bis dato letzte Kirchenneubau der Diözese Graz-Seckau liegt in Graz-Eggenberg und entstand 1996 nach einem Entwurf von Architekt Werner Hollomey (*1929). Signifikant ist der hoch aufragende, schalenartige Turm, in dessen Basis die Werktagskapelle mit dem Wandgemälde eines kosmischen Christus von Josef Fink eingebettet ist. Der nach Westen orientierte Kirchenraum zeigt eine Verschmelzung von Gemeindebereich und Altarzone und ist doch der Wegkirchentradition verhaftet geblieben (die Bänke für die Mitfeiernden reihen sich entlang des Mittelganges, der am Altar endet). Das Raumkonzept basiert auf der Überlagerung der geometrischen Grundfiguren Kreis und Quadrat. Vier vergoldete Eisenstützen akzentuieren das Quadrat des Raumes und tragen das kreisrunde, schwebende Raumgitterdach wie einen Baldachin. Zwischen den 4,5 m hohen Raumschalen und dem Dach bringt ein umziehendes Glasband die Decke zum Schweben. Auf der Altarzone steht mittig der Altartisch aus weißem Marmor, nach Entwurf von Manfred Gollowitsch (*1942). Das Zentrum der Altarwand bildet eine dreiteilige, moderne, ungegenständliche Ikone von Kurt Zisler (*1945), die sowohl auf den dreifaltigen Gott als auch auf die Kreuzigung Christi hin lesbar ist. An der mittleren, größeren Tafel ist eine symbolische Spur Jesu sichtbar, die sich als blauer Steinstreifen bereits durch den Kirchenraum zieht und schließlich im Glasfenster über der Altarwand mündet. Vier abstrahierte Engelsgestalten mit Flügeln und Augen umgeben die Tafeln, direkt auf die Wand gemalt haben sie ihre „Spuren“ hinterlassen. Es ist nur ein vorübergehender Hauch von Sichtbarkeit, der auf die Präsenz dieser göttlichen Wesen verweist. Die nordseitige Lichtwand von Edith Temmel (*1942) ist inspiriert von einer Vision des Künstlers Marc Chagall und nimmt Bezug auf das Kirchenpatrozinium: Schleifende goldgelbe Flügel vor blauem Grund lassen an einen durchziehenden Engel denken. Zum Eingang hin wandelt sich die Farbgebung der viertelkreisförmig um den Taufbereich verlaufenden Wand. Erdige und grüne Farbtöne empfangen die Besuchenden, eingeflochten darin ist ein schmaler Streifen rötlichen Lichtes. Die Schwere des Irdischen wird beim Taufort zurückgelassen, wo ein heller, breiter, goldgelber Lichtstrahl erscheint. Bewusst im Eingangsbereich der Kirche, im transparenten Übergang von Außen und Innen, steht in einer kreisrunden Vertiefung das Taufbecken. Die Taufe ist das erste und wichtigste Sakrament auf dem Weg des Christwerdens in der Gemeinschaft der Kirche. Der Grazer Bildhauer Manfred Gollowitsch hat das Taufbecken aus Halbkugel und Würfel konstruiert und aus weißem Marmor gefertigt. Die räumliche Vertiefung des Taufortes macht Sinn. Getauft Werden bedeutet, mit Christus in den Tod hinabsteigen, um mit ihm in die Lebensgemeinschaft mit dem Dreifaltigen Gott einzutauchen. Aus einem kreisrunden Fenster in der Decke unmittelbar über dem Taufbecken fällt Licht ein und macht einen weiteren Aspekt des Sakramentes der Taufe sichtbar: Gereinigt vom Wasser wird der Getaufte mit dem Geist Gottes beschenkt und so zu einem lichterfüllten Zeugen für Christus in der Welt.

Heimo Kaindl