Das Sein im Raum und dessen Ausloten in unterschiedlichen Dimensionen steht im Zentrum von Markus Wilflings künstlerischem Schaffen. So bildete auch die Auseinandersetzung mit dem historisch gewachsenen Innenraum der Pfarrkirche in Hitzendorf den Ausgangspunkt seiner Überlegungen für die Neugestaltung der Altarzone. Die zentrale Achse vom Eingang bis zum Hochaltar sollte verstärkt und geklärt werden; gleichzeitig sollte aber auch mit dem nun weiter in das Kirchenschiff gerückten Hauptaltar ein klar erkenn- und spürbares Zentrum geschaffen werden. Im Raum wird die Front des Altares, vom Kirchenschiff aus gesehen, zunächst als eine rhythmisierte Abfolge von hellen Aluminiumstäben erlebbar, die wie eine Schwelle erscheint, allerdings aus jeder Sichtachse durchlässig bleibt. Beim Näherkommen verändern die Steher, die eine Glasplatte tragen, in einem lebendigem Spiel ihr Verhältnis zueinander. Zugleich wird die Altarskulptur als eine in den dreidimensionalen Raum entwickelte Spirallinie lesbar. Im Bild der Spirale greift der Künstler ein archaisches Zeichen auf, ein uraltes Lebenssymbol in verschiedensten Kulturen. Es verknüpft Verdichtung nach innen und Ausdehnung nach außen. Eine Spirale ist letztlich in beide Richtungen unbegrenzt und steht für lebendige Entwicklung, die nicht zu kreisförmiger Wiederholung, sondern zu immer Neuem führt, aber auf eine dynamische Mitte bezogen bleibt. Mit der Ausführung in Aluminium setzt der Künstler bewusst ein Material unserer Zeit ein, das vornehmlich in der Industrie- und Alltagswelt Verwendung findet. Den Ambo gestaltet der Künstler als luziden Träger für das Wort Gottes, der das Pulsieren des Altares in anderer Materialität aufgreift und weiterspielt. Vier abgeschrägte Acrylglasröhren, die an Buchrollen und die Evangelien denken lassen, verknüpft er ineinandergestellt zu kommunizierenden Gefäßen, die je nach Lichtsituation und Betrachterstandpunkt die formale Bezogenheit aufeinander und die Wirkung ihrer Präsenz nach außen in den Raum dynamisch verändern.
Alois Kölbl
MARKUS WILFING Altar und Ambo / Altar and ambo, 2016, Aluminium, Glas / Aluminium, glass Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, Hitzendorf | Diözese Graz-Seckau/Markus Karlseder
MARKUS WILFING Altar und Ambo / Altar and ambo, 2016, Aluminium, Glas / Aluminium, glass Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, Hitzendorf
Existence in space and fathoming it out in different dimensions take centre stage in Markus Wilfling’s artistic work. In this vein, his examination of the historically grown interior space of the parish church in Hitzendorf was also the starting point of his considerations for the redesign of the altar zone. The central axis from the entrance to the high altar was to be reinforced and clarified; at the same time, a clearly discernible and palpable centre was to be created in the main altar, which had moved deeper into the nave now. Viewed from the nave, the front of the altar can be experienced as a rhythmised sequence of bright aluminium bars which seems like a threshold but remains permeable from every visual axis. When one comes closer, the bars carrying a glass panel do not only change their interrelationship in a lively and playful manner, but the altar sculpture becomes readable as a spiral line developed into the three-dimensional space. With the image of the spiral, the artist takes up an archaic sign, an ancient symbol of life in different cultures. It interconnects inward condensation and outward expansion; ultimately, it is unlimited in both directions and stands for lively development which does not result in circular repetition but in always new things, yet always remaining related to a dynamic centre. With the aluminium design, the artist deliberately uses a material of our time which is primarily used in the industrial and everyday world. The artist designed the ambo as a lucid bearing medium for the word of God which takes up and plays on the pulsation of the altar in a different material. He interlinks four slanted acrylic glass tubes nested inside each other, which remind of scrolls and the Gospels to form communicating vessels, which dynamically change their formal interrelationship and the effect of their presence to the outside into the space depending on the lighting situation and the position of the viewer.
Text aus |Text from: Sakral: Kunst, Innovative Bildorte seit dem II. Vatikanischen Konzil in der Diözese Graz-Seckau | Sacred Art Innovative Pictorial Sites in the Diocese of Graz-Seckau since the Second Vatican Council. Ausgewählt und mit Texten erläutert von | Selected and explained with texts by Hermann Glettler, Heimo Kaindl, Alois Kölbl, Miriam Porta, Johannes Rauchenberger, Eva Tangl. Mit einem Einleitungsessay von | with an introductory essay (German only) by Johannes Rauchenberger, Regensburg 2015, S. | p. 250-251.