Die Pfarrkirche Hl. Paulus in Graz-Liebenau ist eine von drei Kirchen, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in dem rasch anwachsenden Pfarrgebiet entstanden sind. Architekt Reinhard Schöpf lehnte sich 1987 in der Gestaltung des Neubaus an mittelalterliche Bauformen an, indem er den Typus der dreischiffigen Kirche mit hohem Mittelschiff und niederen Seitenschiffen wählte. Ein offener Dachstuhl über Fachwerkträgern dominiert den Hauptraum. Dazwischen befinden sich je fünf großflächige, quadratische Glasfenster, die als Oberlichten an den Langseiten die Kirche ausleuchten. Alois Mosbacher (*1954) hat sich für die künstlerische Gestaltung der Fenster an die traditionelle Glasmalerei gehalten. Die Fenster der Ostwand sind dem Hl. Paulus, jene der Westwand der Gottesmutter Maria gewidmet. Die Glasgemälde der beiden Zyklen entsprechen einander thematisch – beide beginnen jeweils mit der Erwählung. Die Reihe setzt sich fort mit der Taufe des Paulus und der Verkündigung an Maria. Das Leiden wird bei Paulus durch das Kreuz in Form eines entlaubten Baumes symbolisiert, während die Schmerzhafte Mutter Gottes eingehüllt in Dunkelheit, wie in einer Blase im Universum, schwebt. „Das Sterben des Paulus“ zeigt den Kopf des Enthaupteten, der, wie in ein Tuch gehüllt, in göttliche Sphären emporgehoben wird. In „Das Sterben Mariens“ steht ein großes Auge im Zentrum, welches die Erkenntnis Mariens zum Ausdruck bringt und den Blick für die erfüllte Verheißung Gottes öffnet. Beide Zyklen enden mit der Auferstehung, in denen in der Wahl der Formen und Farben eine Harmonie spürbar ist, in welcher die Überwindung des Todes und der Verweis auf das Paradies erkennbar ist. Die Giebelwand über dem Haupteingang dominiert ein großes Rundfenster mit der Darstellung eines Baumes mit zwölf Augen, welches das Mittagslicht zur Altarzone leitet. Das Zentrum der jeweiligen Bildszene bilden meist Kreis- oder Tropfenformen. Diese umfangen das zentrale Bildmotiv wie eine schützende Hülle. Die Farbabfolgen werden als expressiver Stimmungsmodulator eingesetzt: Schmerz, Trauer, Tod werden durch dunkle Farben mit hohem Anteil an schwarzen, grafischen Strukturen und Konturen verdeutlicht. Das göttliche Wirken drückt sich in lichten Farben gebrochener Weißtöne bis Gelb aus. Im malerischen Schaffen Alois Mosbachers überwiegt der grafische Anteil. Auch hier in diesem Werkzyklus wendet er dieses Stilmittel an, vorwiegend bei vegetabilen Elementen, die das eigentliche Geschehen umgeben, umfangen oder in dieses hineinwirken. Die gestaltete Natur als Lebensraum des Menschen hat in Mosbachers Werken einen hohen Stellenwert. Dabei geht er auf die Darstellung räumlicher Zusammenhänge nicht näher ein. Vielfach schweben die Elemente in einem Kosmos, der auf das Überirdische anspielen möchte. Im zentralen Rundfenster verarbeitet Mosbacher das Motiv des Lebensbaumes, der in Zusammenhang mit dem Schöpfungsmythos steht und dem Weltbild vieler Völker als Symbol der kosmischen Ordnung, als Weltachse zugrunde liegt. Die Früchte der Erlösung sind durch die Augen der zwölf Apostel symbolisiert, welche die christliche Lehre weitertragen.
The parish church of Saint Paul in Graz-Liebenau is one of three churches that were built in this rapidly growing parish area in the second half of the 20th century. Until the parish church of Saint Paul was consecrated in 1987, a barack building served as a provisional church. The architect Reinhard Schöpf based the design of the new building on medieval construction forms by opting for the type of the three-naved church with a high central nave and low side aisles. An open truss on top of truss girders dominates the main space. In-between, there are five large square glass windows each with a dimension of three by three metres created by the artist Alois Mosbacher, which light out the long sides of the church as roof lights. The windows of the east wall are dedicated to Saint Paul, the ones of the west wall to Mary, Mother of God. The glass paintings of the two series correspond thematically—beginning with the Election, the series continues with the Baptism of Saint Paul and the Annunciation to Mary, Passion, dying, and Resurrection. The gable wall over the main entrance is dominated by a large round window that directs the light of noon to the altar zone. For the most part, circle or drop shapes take centre stages in the individual scenes of the paintings. They surround the central image subject like a protective shell. The colour sequences are employed as an expressive modulator of moods. Pain, suffering, and death are illustrated by dark colours with a large share of black graphic structures and contours. Divine ministry is expressed in light colours from broken shades of white to yellow. The share of graphic works prevails in the painterly oeuvre of Alois Mosbacher, who was born in 1954. Here too, in this cycle of works, he makes use of this stylistic device, mainly with vegetable elements that surround, embrace or affect the actual events. Designed nature as human living environment has high significance in Mosbacher’s works. Thereby, he does not expand on the representation of spatial contexts. Many times, the elements float in a universe that wants to allude to the transcendental. In the central round window, Mosbacher processes the subject of the tree of life, which is connected to the myth of Creation and forms the basis of the image of the world of many nations as a symbol of cosmic order, as an axis mundi. The crops of salvation are symbolised by the eyes of the twelve apostles who pass on Christian teaching.
Text aus |Text from: Sakral : Kunst, Innovative Bildorte seit dem II. Vatikanischen Konzil in der Diözese Graz-Seckau | Sacred Art Innovative Pictorial Sites in the Diocese of Graz-Seckau since the Second Vatican Council. Ausgewählt und mit Texten erläutert von | Selected and explained with texts by Hermann Glettler, Heimo Kaindl, Alois Kölbl, Miriam Porta, Johannes Rauchenberger, Eva Tangl. Mit einem Einleitungsessay von | with an introductory essay (German only) by Johannes Rauchenberger, Regensburg 2015, S. | p. 166-169.