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Abbild Herz | Likeness Heart

Augustinum, Graz

Kann man eine „Marke“ mit Kunst verbinden? Wie kann man ihr eine Richtung geben, dass sie nicht verflacht? Das Grazer „Augustinum“ ist eine Bildungsinstitution mit vielen Gliedern, errichtet als „Bischöfliches Zentrum für Bildung und Berufung“ unter Diözesanbischof Egon Kapellari im Jahr 2008/09. Es war wohl das umfangreichste Unternehmen seiner Amtszeit als Bischof der Diözese GrazSeckau zwischen 2001 und 2015. Buchstäblich als „Herzensgabe“ übereignete der Bischof eine frühbarocke Büste des großen Theologen und Bischofs aus seinem Privatbesitz diesem Haus: Den heiligen Augustinus trifft man somit gleich links in der Eingangshalle in einer Nische. Was dieses Abbild über die 1500 Jahre weg verbindet: Er hat als ein Mann der Zeitenwende, wie sie vielleicht derzeit kennzeichnend ist, seinen Leuten in Nordafrika das Christentum erklärt. Seine Predigten und Schriften zählen wohl zu den einflussreichsten der gesamten Christentumsgeschichte. Was aber an der genannten Büste im Augustinum auch heute noch ans Herz geht, sind weder Schriften, Werk noch Mitra, sondern das Herz an seiner Brust, das wie von einem Weihnachtskeksmodell ausgestochen ist. Funktional gesprochen hat diese Auslassung einmal eine Reliquie beherbergt. Die Büste ist dann später, ihres kostbaren Inhalts beraubt, nur mehr als Hülle in den Antiquitätenhandel gekommen. Als Hülle? Was davon ist nun das Abbild des Augustinus? Die sichtbare Büste oder die nicht mehr vorhandene Reliquie des Heiligen selbst? Von dieser Art von Fragen über Abbild und Gegenwart fasziniert, hat der in Graz lebende und lehrende Künstler Markus Wilfling (*1966) seine „Abbilder“ im Augustinum geschaffen. Der Krise des Abbilds, von der die aktuelle Kunst sich oft ganz aufzehren ließ, kann man freilich auch, wie hier bei Wilfling, erfrischend Neues entgegensetzen. Der Künstler arbeitete mit dem Verfahren der Vervielfältigung. Er wechselt dabei aber die Materialität: Holz, Glas, Gips. Das Original des Bischofs – Genitivus obiectivus und Genitivus subiectivus sind hier gleichermaßen richtig – ist das Urbild für ein gläsernes Abbild in unmittelbarer Nähe neben dem Stiegenaufgang. Ephemer schwebt dieses an der Wand. Es könnte eine Erscheinung sein! Ist der heilige Bischof vielleicht noch sonst irgendwo im Haus? Man sagt, es soll mehrere Abbilder im Haus geben. Ein zweites schiebt sich unvermittelt, aber ganz deutlich aus dem Pfeiler vor dem „Kirchplatz“ im ersten Stock, diesmal nicht gläsern, sondern eindeutig als Mauermörtel oder wohl eher als Gips. Auch anderswo könnten unvermutet Abbilder sich erheben oder aber erscheinen. Womöglich auch lebendige. Der Künstler Wilfling wollte diese unendlich erscheinenden Gemäuer mit neuen Abbildern von Augustinus beseelen. Die Unruhe des Herzens, von der das bekannte Zitat des heiligen Augustinus spricht, hat und benötigt ein Ziel. Das Herz selbst freilich behauptet nicht weniger als „Deus caritas est“. Das ist der Wahlspruch des derzeitigen Bischofs dieser Diözese, der diesem „neuen“ Haus entstammt.

Johannes Rauchenberger

MARKUS WILFLING o.T. / w.t., 2010, Frühbarocke Büste des heiligen Augustinus / Early Baroque bust of Saint Augustine Abgüsse / Casts Foyer, Stiegenhaus und Kirchplatz des Augustinums, Graz | Diözese Graz-Seckau/Henry Jesionka

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MARKUS WILFLING o.T. / w.t., 2010, Frühbarocke Büste des heiligen Augustinus / Early Baroque bust of Saint Augustine Abgüsse / Casts Foyer, Stiegenhaus und Kirchplatz des Augustinums, Graz

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Likeness Heart

Can one link a “brand” to art? How can it be given a direction so that it does not degenerate? The Augustinum in Graz is an educational institution with many parts; it was established as “Episcopal Centre for Education and Vocation” under Diocesan Bishop Egon Kapellari in 2008/09. It was probably the most extensive project of his period of office as Bishop of the Diocese of Graz-Seckau from 2001 to 2015. Literally as a “gift of the heart”, the bishop assigned a privately owned early-Baroque bust of the great theologian and bishop to this institution: Thus one meets Saint Augustine right to the left in a niche in the entrance hall. What links this likeness to its model over a period of 1,500 years? As a man of a turning point in world history, which perhaps also applies to the present, he explained Christianity to his people in North Africa. His sermons and writings are probably among the most influential of the entire history of Christianity. But what still pulls at our heartstrings also today are neither his writings nor his works and mitra but the heart on his chest that appears like cut out from a Christmas cookies model. In terms of function, this elision once hosted a relic. Later on, the bust, deprived of its precious content, entered the junk goods trade, only as a shell. As a shell? So what of it is the likeness of Saint Augustine? The visible bust or the no longer present relic of the saint himself? Fascinated by this kind of questions about likeness and presence, the artist Markus Wilfling (*1966), who lives and teaches in Graz, created his “Likenesses” in the Augustinum. Of course, the crisis of the likeness, which often completely exhausted contemporary art, can be countered with refreshingly new approaches, like here in Wilfling’s case. The artist worked with the method of reproduction. Yet he switched materials in the process: wood, glass, plaster. The original of the bishop—the objective genitive and the subjective genitive are equally correct here—is the original image for a glass likeness in close proximity, next to the stairway. It floats ephemerally on the wall. It could be an apparition! Is the holy bishop perhaps elsewhere in the building? They say there are more likenesses in the house. A second one unexpectedly but very clearly appears on the pillar in front of the “church square” on the first floor; this time, it is not made of glass but clearly of masonry mortar, or rather plaster. In other places too, likenesses may rise or appear unexpectedly. Possibly even living ones. The artist Wilfling wanted to animate these apparently endless walls with new likenesses of Augustine. The restlessness of the heart, which the well-known quote of Saint Augustine addresses, has and needs a destination. Of course, the heart claims nothing less than “deus caritas est“. This is the slogan of the current bishop of this diocese, an alumnus of this “new” institution.

Text aus |Text from: Sakral : Kunst, Innovative Bildorte seit dem II. Vatikanischen Konzil in der Diözese Graz-Seckau | Sacred Art Innovative Pictorial Sites in the Diocese of Graz-Seckau since the Second Vatican Council. Ausgewählt und mit Texten erläutert von | Selected and explained with texts by Hermann Glettler, Heimo Kaindl, Alois Kölbl, Miriam Porta, Johannes Rauchenberger, Eva Tangl. Mit einem Einleitungsessay von | with an introductory essay (German only) by Johannes Rauchenberger, Regensburg 2015, S. | p. 58-59.