Verbinden und einhüllen | Interlinking and wrapping
Krankenhauskapelle, Hartberg
Die Kapelle im Landeskrankenhaus Hartberg, das von Architekt Klaus Kada erbaut und 1999 eröffnet wurde, befindet sich im Erdgeschoß des Verwaltungstraktes. Der Raum unterscheidet sich in Größe und Proportion wenig von den Büroräumen. Seine architektonische Besonderheit liegt in einem gänzlich verglasten Lichtkorridor, der zwischen Außenwand und Kapellenraum eingefügt ist. Durch satinierte Glasflächen fällt weich das Tageslicht und erzeugt eine meditative, ruhige Atmosphäre, zu der das rote Interieur auf den ersten Blick in einem fast schmerzhaften Kontrast steht. Die Gestaltung einer Kapelle in einem Spital, in einem Bereich, in dem Krankheit und Tod, Genesung und Geburt zum Alltag gehören und eng nebeneinander liegen, wurde hier vom Künstler Michael Kienzer (*1962) in einer Form gelöst, die zur Auseinandersetzung zwingt und kontroversielle Standpunkte hervorruft. Der Künstler rollt einen roten, weichen Teppich im Raum aus und breitet ihn wie eine Decke über Bänke, Altar, Ambo und Sessio. Er verhüllt die Altarwand, unter deren Draperie sich der Tabernakel abzeichnet. Der Teppich erfasst nicht die gesamte Kapelle, er umspannt den Bereich der Liturgie und Andacht, wie eine Insel im Raum, die man vorsichtig betritt. Auf gleichem Niveau stehen Priester und Gläubige, die Hierarchie ist aufgehoben. Für beide wird der rote Teppich aufgelegt, ein roter Ornat, der alles umhüllt. Die Orientierung zu Kreuz, Altar und Tabernakel bleibt bestehen. Durch Faltengeschiebe und Faltung der textilen Umhüllung entsteht ein Spiel von Licht und Schatten, das eine Inszenierung nicht verleugnen kann. In dem klinischweißen Ambiente des Krankenhauses setzt ein Raum wie dieser naturgemäß einen starken Kontrapunkt. Die Verhüllung dessen, was man zu sehen gewohnt ist, die Farbe Rot mit einem so polarisierenden Bedeutungsgehalt und entsprechend divergierender Assoziationsmöglichkeit und letzten Endes auch das gewählte Material sind Aspekte, mit denen es sich auseinanderzusetzen gilt. Ein aufgelegter Teppich definiert immer den besonderen im allgemeinen Raum und unterstreicht die Bedeutung darauf vollzogener Rituale. Eine Verhüllung birgt ein Geheimnis und schärft die Wahrnehmung für Gewohntes. Einhüllen vermittelt Wärme und Energie. Verpacken von Mobiliar erinnert an Verreisen, aber auch an ein Wiederkommen. Erzeugt dieser Raum nicht auch ein Gefühl der gemeinsamen Geborgenheit gegenüber dem anonymen Ausgeliefertsein einer Spitalsroutine? Diese opulente Raumgestaltung lädt ein, diese Geborgenheit zu erfahren und sich in ihr wahrzunehmen. Zum Interieur der Kapelle gehören außerdem eine Holzstele mit eingelassener Weihwasserschale und, dem Eintretenden gegenüber an der Glaswand, eine Madonnenstatue, die Walter Pisk der Spätgotik nachempfunden hat und die, wie schwebend, im Licht erscheint.
Miriam Porta
MICHAEL KIENZER Kapellengestaltung / Chapel design, 2010, Textil / Fabric Kapelle im Landeskrankenhaus Hartberg | Diözese Graz-Seckau/Sonntagsblatt, Gerd Neuhold
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MICHAEL KIENZER Kapellengestaltung / Chapel design, 2010, Textil / Fabric Kapelle im Landeskrankenhaus Hartberg
The chapel in the State Hospital of Hartberg, which was planned by the architect Klaus Kada and was opened in 1999, is located in the administration wing on the ground floor. The space is hardly different from office spaces in its size and proportions. The completely glassed-in corridor of light, which is inserted between the exterior wall and the chapel room, is its architectural particularity. Daylight falls in softly through satined glass surfaces and creates a meditative quiet atmosphere which is at first sight almost painfully contrasted with the red interior. Designing a chapel in a hospital, in a sphere where illness and death, recovering and birth are part of the daily routine and are very close to each other, was a task the artist Michael Kienzer (*1962) tackled in a way that forces us to deal with it and evokes controversial points of view. The artist rolls out a red soft carpet in the space, and spreads it like a blanket over the pews, the altar, the ambo, and the sessio. He veils the altar wall under the drapery of which the tabernacle stands out. The carpet does not cover the entire chapel; it encompasses the area of liturgy and devotion, like an island within the space which one enters cautiously. The priest and the believers are on the same level and hierarchies are suspended. A red carpet is laid out for both, red vestment that envelopes everything.
Text aus |Text from: Sakral : Kunst, Innovative Bildorte seit dem II. Vatikanischen Konzil in der Diözese Graz-Seckau | Sacred Art Innovative Pictorial Sites in the Diocese of Graz-Seckau since the Second Vatican Council. Ausgewählt und mit Texten erläutert von | Selected and explained with texts by Hermann Glettler, Heimo Kaindl, Alois Kölbl, Miriam Porta, Johannes Rauchenberger, Eva Tangl. Mit einem Einleitungsessay von | with an introductory essay (German only) by Johannes Rauchenberger, Regensburg 2015, S. | p. 84-87.