Das Museum, das Sie hier betreten, gibt es bislang nicht. Sein Anspruch ist hoch – zu hoch. Das Museum, das Sie hier betreten, gibt es auch in Wirklichkeit nicht. Wohl aber gibt es seine Kunstwerke, die hier besucht werden können. Im Foyer zum Museumsbau, der in zehn thematische Räume gegliedert ist, stehen zwei Miniaturarchitektur-Modelle in versilberter Bronze, wie man es vielleicht im Tast-Format für Blinde kennt. Der kroatische Künstler Zlatko Kopljar bezeichnet sie als „Reliquiare“. Sie stellen zwei der bedeutendsten Museumsikonen für Gegenwartskunst dar: die Tate Modern in London und das MoMA in New York. Kunst hat sich als selbst ernannte Erbin der Religion jene Kräfte und Präsenzbehauptungen zu eigen gemacht, die einst religiöse Bilder auszeichneten: Aura, Wahrheit, Unbedingtheit, Deutungshoheit. Ihr sakrosankter Status wird hier auf die Bildebene ehemals religiöser Reliquiare übertragen: Die Hülle ist allerdings fest verschlossen. Diese Erkenntnis ist gleichsam auch eine Ouvertüre zu diesem Museumsbesuch.
Der kroatische Künstler Zlatko Kopljar hat in den letzten 25 Jahren performativ sein Künstler-Ich in alle nur erdenklichen Konstellationen zur Gesellschaft gesetzt. Stellvertretung, Widerstand, Würde, Mitleid, ethisches Handeln wurden etwa dabei verhandelt, nicht selten in Form von Performances, streng komponierten Videofilmen oder aufwendigen Fotoarbeiten. In den letzten zehn Jahren geht es bei Kopljar mehr und mehr um das Verschwinden und die Leere.Er wird in einigen Räumen dieses Museums mit Werken vertreten sein.
Zlatko Kopljar: Reliquary, 2018
The Croatian artist Zlatko Kopljar has introduced his artistic identity into all conceivable constellations of society over the past 25 years. Representation, resistance, dignity, compassion and ethical action have been negotiated, often in the form of performances, stringently composed videos or elaborate photographic works. During the last ten years, Kopljar has increasingly focused his attention on disappearance and emptiness.
Reliquary was transformed for this exhibition from K20, which shows a miniature architectural model in poured concrete, similar to touchable models for the blind. Both museum icons for contemporary art, the Tate Modern in London and the MoMA in New York, are presented here as reliquaries in the title. The bronze castings are silver-plated and have a patina. Art, as the self-appointed heiress of religion, has adopted the forces and claims of presence that once distinguished religious images: aura, truth, unconditionality, sovereignty of interpretation. Their sacrosanct status is transferred here to the image plane of former religious reliquaries: the cover, however, is firmly sealed.
