In ihren „digitalen Gemälden“ kombiniert die in Wien lebende Künstlerin Dorothee Golz zeitgenössische Körper mit Renaissance-Porträts. Die Porträts geben immer den Blick des Malers auf die Person wieder, wie sie von Zeitgenossen gesehen wurde bzw. gesehen werden sollte. Insofern sind die Gemälde nicht bloße Wiedergabe der Realität, sondern bereits interpretiert, durch den Blick der Alten Meister „gefiltert“. Genau an dieser Art von Projektion misst sich das Interesse der Künstlerin. Sie übernimmt die gemalten Porträts nicht einfach, sondern filtert sie ein zweites Mal, um die künstlerische Bildaussage in unsere Zeit zu transkribieren. Dazu kombiniert Golz Elemente zuvor fotografierter Gesichter so lange am Computer bis eine frappierende Ähnlichkeit zur malerischen Vorlage entsteht. Alles ursprünglich Gemalte wird in das Medium der Fotografie übertragen. Durch die aufwendige, digitale Bearbeitung, die technisch mehr an die Vorgehensweise der Malerei erinnert, entsteht ein neues, autonomes Kunstwerk.
Das Bildmotiv der Verkündigung kann dieser jungen Frau, die über ihre eben erlebte ungeheuerliche Begegnung nachdenkt, förmlich entspringen – erst später wird sie sich in Raffaels Bild "Granduca" bannen lassen.
Granduca, 2012, Digital Painting, Diasec, KULTUMdepot Graz, aus: reliqte, reloaded: Zum Erbe christlicher Bildwelten heute (2015/16) | Dorothee Golz
Dorothee Golz
geboren 1960 in Mühlheim an der Ruhr, lebt und arbeitet seit 1988 in Wien. Golz studierte Kunst an der Ecole supérieure des arts décoratifs de Strasbourg und parallel dazu Kunstgeschichte und Ethnologie an der Universität Freiburg. Internationale Bekanntheit erreichte sie durch die Teilnahme an der documenta X (1997), auf der sie ihre Skulptur Hohlwelt und Zeichnungen zeigte. Ihre Arbeiten waren weltweit u.a. im Kölnischen Kunstverein, Wiener Secession, Museum der Moderne Salzburg, Kunsthalle Krems, Muezul National de Arte Contemporana Bukarest, National Museum of Singapore, Museo de Arte Contemporáneo Oaxaca, Mexiko, Museo Nacional de Bellas Artes de Santiago de Chile, Museum für zeitgenössische Kunst Kiew, Roger Merians Gallery, New York zu sehen.
Im KULTUM wurde Golz in den Ausstellungen „reliqte, reloaded: Zum Erbe christlicher Bildwelten heute” (2015/16) und „VULGATA. 77 Zugriffe auf die Bibel“ (2017) gezeigt.
Text: Johannes Rauchenberger, aus: VERTRAUT UND FREMD. VULGATA 77. Zeitgenössische Zugriffe auf die Bibel im Dommuseum Mains (Publikationen des Bischöflichen Dom-und Diözesanmuseums Mainz, Bd. 11), Mainz 2019, S. | p. 45
