Widersprüche sind für den Glauben kein Hindernis: Mit ihrer Raum füllenden Tapetenarbeit „Colpa e Benedizione“ hob die in Mailand lebende Künstlerin Julia Krahn in der Ausstellung „Seelenwäsche“ ein auf den ersten Blick ungleiches Paar in eine simultane Anschauung: Segen und Schuld. Das Häufchen Schwarz, das in einem Bildfeld von der Lichtfigur gegenüber übrig zu sein scheint, spielt mit Ende und Neuanfang, mit Transformation in einen neuen Seinszustand, mit Asche und Licht. Wie eine Erscheinung zeigt sich ihr nackter Körper im linken Bildfeld, den wir einmal frontal stehend und in der Rückenansicht kniend sehen: Die Hände der einen ruhen auf dem Kopf der anderen (gleichen) Figur. Handauflegung ist eine Geste, die tief in menschliche Gebärdensprache weist, mit Geistund Kraftübertragung, mit Ordination und Weihe. Doch werden hier keine neuen Kleider überreicht, kein Status als Amtssiegel markiert, es geht einzig um das „bene-dicere“ im Angesicht des dunklen Restes des gegenüberliegenden Bildfeldes: dieser erscheint als Asche, als ein dunkler Stein. Tatsächlich ist er ein kostbares Trauertuch aus dem 18. Jahrhundert, unter dem sich der Körper der Künstlerin befindet. Den Kontakt hält die Schnur am unteren Ende des Bildfeldes – in Wirklichkeit das Kabel für den Selbstauslöser der Kamera. Als Betrachter werden wir durch die Schnur am Boden der beiden Bildfelder in das Zentrum der Aufmerksamkeit und Rezeption verwiesen – zum Lesen eines Diptychons, das zwei Seiten einer existenziellen Wendung bezeichnet: „Colpa e Benedizione“: Als erkennende Synthese erscheint die „felix colpa“, die „glückliche Schuld“, die zu den merkwürdigsten Anrufungen im Licht von Ostern zählt.