Museum Raum 09

Joseph Marsteurer: Bildbegehungen, 2007

In beharrlicher Konsequenz geht der Wiener Künstler Joseph Marsteurer seit vielen Jahren der Frage nach, was ein Bild ist, wann es als solches bezeichnet werden kann, woraus seine Bausteine sind, und was entsteht, wenn seine Elemente als solche zum Thema werden: der Zustand des Noch-nicht-Bild-Seins als auch des Nicht-mehr-Bild-Seins. Zeitgenössische Debatten über das Bild finden sich bei Marsteurer in einer radikal konstruierten künstlerischen Arbeitsweise wieder. Fragen nach Bildraum und Betrachterraum, nach Virtualität und Realität, nach Medialität und Funktion werden in Installationen erprobt und mit ihren Ausdrucksmitteln auch behauptet. Der Betrachter kann so leibhaftig durch das Bild „durchgehen“, ein Raum wird angeschnitten, ein anderer verschoben, Pinselstriche werden als Medium vom Trägermedium gelöst und eingeschweißt – und so verpackt wieder auf die weiße Bildfläche gelegt, die man eben durchschreitet. Sein Atelier ist voller Regale von derartig archivierten Pinselstrichen, die mitunter an „Bilder“ denken lassen, wenn sie auf die Wand oder die Plexiglasplatte wandern. Marsteurer archiviert reale Pinselstriche, bemisst sie, wägt sie ab, bezeichnet und digitalisiert sie, baut damit auch Modelle für neue Bilder im Zusammenspiel mit dem neuen Besitzer und lässt diese real werden.

Bildbegehungen, 2007, Rauminstrallation: MDF-Platte, archivierte Farbstreifen, Klebeband, Stoff. Ausstellungsansicht: Joseph Marsteurer: Bildbegehungen (2007) | Joseph Marsteurer

Joseph Marsteurer

geboren 1963 in Niederösterreich, lebt und arbeitet in Wien. Er studierte Musik sowie Kunstgeschichte und Philosophie in Wien. Atelierstipendien führten Marsteurer nach Krakau, Paris und Rom. 2014 erhielt er ein Staatsstipendium. In seinen Arbeiten, die u.a. in der Sammlung Essl Klosterneuburg, Galerie Schweins in Köln und im Leopold Museum Wien gezeigt wurden, analysiert Marsteurer das Dazwischen von Malerei-Bild-Raum. Im KULTUM wurde Marsteurer in den Ausstellungen „Joseph Marsteurer: Bildbegehungen“ (2007), „RELIQTE“ (2010) und „1+1+1=1 Trinität“ (2011) und der Einzelausstellung “Keine Kunst! Joseph Marsteurers Radikale Grenzverschiebungen und Zwischenräume” (2020) gezeigt.

born in Lower Austria in 1963; lives and works in Vienna. He studied Music, Art History, and Philosophy in Vienna. Moreover, Marsteurer was granted studio residencies in Krakow, Paris, and Rome. He received a Federal State Grant in 2014. In his works, which have been shown i.a. in the Essl Collection, Klosterneuburg, the Galerie Schweins, Cologne, and in the Leopold Museum, Vienna, Marsteurer analyzes the in-between space between painting, image, and space. Marsteurer’s works were shown in the KULTUM in the exhibitions “Joseph Marsteurer: Bildbegehungen“ (2007), “RELIQTE“ (2010) and “1+1+1=1 Trinität“ (2011).

zurück

Joseph Marsteurer: Bildbegehungen, 2007

For many years, the Vienna-based artist Joseph Marsteurer has ben dealing with the question of what is an image, when it can be called one, what its components are made of, and what is created if its components as such are made a topic: both the state of not yet being image and the state of not being image anymore. Contemporary debates on the image are found again in Marsteurer’s work in a radically constructed working method. Questions about the pictorial space and the space of the viewer, virtuality and reality, mediality and function, are tested out in installations and also asserted with their means of expression. Thus the viewer can “walk through” in person, a space is cut into, another one is shifted, brush strokes are removed from the image-bearing medium and shrink-wrapped as media in themselves—and packaged like this they are laid on the white image surface again one is just walking through. His studio is full of shelves with brush strokes archived in this way, which can sometimes be imaged as “images” when they enter walls or Plexiglas panels. Marsteurer archives real brush strokes, assesses them, weighs them, names and digitizes them, and thus also builds models for new images in the interaction with the new owner and lets them become real.

Text aus | Text from: Johannes Rauchenberger: Gott hat kein Museum. Religion in der Kunst des beginnenden XXI. Jahrhunderts. | No Museum Has God. Religion in Art in the Early 21^stCentury. (IKON. Bild+Theologie, hg. von | ed. by Alex Stock und Reinhard Hoeps), Verlag Ferdinand Schoeningh, Paderborn 2015, S. | p. 860-861.