Museum: Raum 10

Heribert Friedl: TRINITY, 2010/2011

Ist das Nichts destillierbar? Ist Gott destillierbar? Welcher Geist? Die Skulptur von Heribert Friedl zeigt Kupferrohre, mehrfach gebogen, geknickt und gewunden. Assoziationen zu Hirnwindungen stellen sich ein. Aber auch zu Destillationsapparaturen. Denken und Glauben war mit der einseitigen Hochhaltung der Vernunft im neuzeitlichen Bewusstsein nicht selten im Widerspruch. Dagegen hat die Theologie in ihren hohen Sphären viel angeschrieben und oft Atemberaubendes zu verbinden gesucht. Was die Naturwissenschaft als Beweis nachvollziehbarer Experimente vorlegt, hat erschütternde Destabilisierungen in der religiösen Gewissheit ausgelöst, die sich in den Erkenntnissen der heutigen Hirnforschung auf die Spitze treiben: Hatte man einmal beim Zwerchfell und dann beim Herzen nach Gott gesucht, so ist es jetzt das Gehirn – und „nichts“ gefunden.

Heribert Friedl bleibt aber nicht bei einer einfachen „Gehirn-Skulptur“: Die Blasebälge zu Füßen der Betrachterinnen und Betrachter geben durch die Röhren Düfte frei – und stimulieren, verändern das Denken, ja lassen dieses mitunter hinter sich. Friedl, der schon eine lange immanente Werkgeschichte seiner "nonvisualobjects" aufweist, interessieren jene Welten jenseits des Rationalen, die die tiefsten emotionalen Stimmungen hinterlassen. Unser Reinheitswahn hat viel von ihnen weggeblasen, und die virtuellen Welten vermögen sie nicht zu vermitteln: die Welten der Gerüche. Die Bildlosigkeit als Voraussetzung ihrer Wahrnehmung setzt Bilder frei, die tiefer liegen, als die täglich wahrgenommenen.

Die Erweiterung der Rationalität mit Emotionalität, das Wahrnehmen von Bildern jenseits der gekannten Bilder, die Bindung der Vernunft an das wahrnehmende Subjekt mit seinen „Destillationsprozessen“ macht diese Skulptur zudem zu einer unübersehbaren Diskussionspartnerin, wenn es darum geht, die Indiskutabilität des Nichts zu bestreiten oder auszuloten.

Trinity, 2010/2011, gelötete Kupferrohre, Metallzylinder, Blasebälge, Duftstoffe, 100x140x60 cm, KULTUMdepot Graz, aus: 1+1+1=1 Trinität (2011) | Heribert Friedl

Heribert Friedl

geboren 1969 in Feldbach, Österreich, lebt und arbeitet in Wien. Er studierte Bildhauerei an der Universität für Angewandte Kunst in Wien und erhielt unter anderem 2010 den Universalmuseum Joanneum Preis. Seit 1996 beschäftigte er sich mit Duftstoffen und deren Wirkungen. Zeit, Reduktion, Narration und Partizipation spielen in Friedls Objekten und Installationen eine zentrale Rolle. Er selbst fasst seine Arbeit unter dem Begriff »nonvisualobjects« zusammen. Seine Arbeiten wurden in Europa, der Türkei und den USA ausgestellt. Im KULTUM wurde Friedl in den Ausstellungen „EX GRAZ“ (2003) und „1+1+1=1 Trinität“ (2011) gezeigt.

born in Feldbach, Austria, in 1969; lives and works in Vienna. He studied Sculpture at the University of Applied Arts Vienna and was awarded i.a. the Universalmuseum Joanneum Prize in 2010. He has examined scents and their effects since 1996. Time, reduction, narration and participation take center stage in Friedl’s objects and installations. The artist himself subsumes his work under the umbrella term of “nonvisualobjects”. His works have been exhibited in Europe, Turkey, and the USA. Friedl’s works were shown in the KULTUM in the exhibitions “EX GRAZ“ (2003) and “1+1+1=1 Trinität“ (2011).

zurück

Heribert Friedl: TRINITY, 2010/2011

Is the nothing distillable? Is God distillable? Which spirit? Heribert Friedl’s sculpture consists of copper tubing which is multiply bent, folded and convoluted. It reminds of convolutions of the brain—but also of distillation apparatuses. Thinking and belief have quite often been a contradiction in the face of the biased veneration of reason in the consciousness of the modern age. Theology has written a lot against this in its own high spheres, and has often tried to establish breathtaking connections. What science brings forward as evidence based on replicable experiments has initiated a shocking destabilization in religious certainties which culminates in the insights of presentday brain research. At times God was looked for in the midriff, at others in the heart. Now it is the brain—and “nothing” can be found. But Heribert Friedl does not contend himself with a simple “sculpture of the brain”. The bellows at the viewers’ feet release scents through the tubes—and stimulate and alter their thinking, or indeed make them leave it behind. Friedl, who can already look back at a long immanent work history of what he calls non visual objects, is interested in those worlds beyond the rational left behind by the deepest emotional moods. Our mania for cleanliness has blown away many of them, and the virtual worlds cannot communicate them: the worlds of odors. The absence of pictures as a condition for perceiving them releases images on a deeper level than the ones we perceive every day.

The extension of rationality with emotionality, the perception of images beyond the images we know, the linking of reason to the perceiving subject with ist “distillation processes”—all this also turns this sculpture into a discussion partner that cannot be overlooked when it comes to denying or sounding out if the nothing is out of the question.

Text aus | Text from: Johannes Rauchenberger: Gott hat kein Museum. Religion in der Kunst des beginnenden XXI. Jahrhunderts. | No Museum Has God. Religion in Art in the Early 21^stCentury. (IKON. Bild+Theologie, hg. von | ed. by Alex Stock und Reinhard Hoeps), Verlag Ferdinand Schoeningh, Paderborn 2015, S. | p. 944-945.