Nach Jahren sorgfältiger Vorbereitung ist die Ausstellung „FLEEING SHADOWS“ des kanadischen, in Graz lebenden Künstlers Henry Jesionka noch bis zum 5. August 2023 im KULTUM in Graz zu sehen.
Vor dem beunruhigenden Hintergrund wiederkehrender nuklearer Bedrohungen durch Putin, der Erwartung um Christopher Nolans neuesten packenden Film „Oppenheimer“ und angesichts der beispiellosen gesellschaftlichen Herausforderungen, die durch das Aufkommen künstlicher Intelligenz entstehen, trifft „FLEEING SHADOWS“ auf eine prekäre historische Wendesituation. Diese Ausstellung eröffnet einen nachdenklichen Spiegel auf den „Zeitgeist“ und fängt das kollektive Bewusstsein in einem äußerst prägenden Moment unserer Gegenwart ein.
Mit der Skulptur „Trinity“ errichtet Jesionka ein Denkmal für den Boten der Möglichkeit unserer eigenen Selbstauslöschung, den Physiker und Vater der Kernspaltung, J. Robert Oppenheimer. Er platziert ihn, den „amerikanischen Prometheus“, in der Vesica Piscis oder Mandorla, die jahrhundertelang Christus vorbehalten war, und umgibt ihn sogar mit ornamental aussehenden „Reliquien“, die an „Blumen“ erinnern, aber tatsächlich die ersten Nanosekunden von Atombombenexplosionen darstellen. Die Erzählung gipfelt in einer gespenstig kargen Darstellung Oppenheimers als Schatten an der Wand: Kultiviert und intellektuell sitzt er da, vertieft in ein Gespräch mit einer Zigarette, während sein gerade verlassener Stuhl noch die Spuren seiner Anwesenheit trägt. Das sind die Berichte von der Energieexplosion, heißer als die der Sonne, die Hunderttausende von Leben in Sekunden auslöscht. Was nicht in Nichts verwandelt wurde, wurde als Schatten an die Wand geworfen – mit einer Energie, die in der menschlichen Geschichte bisher beispiellos war.
In der Skulptur „Schwarze Löcher“ verknüpft Jesionka die vorherrschenden Sorgen um künstliche Intelligenz, Gentechnik, Nuklearwaffen und gesellschaftliche Anomalien. In der Tradition einer orthodoxen Ikone umhüllt er Stephen Hawking, die Autorität auf dem Gebiet der Schwarzen Löcher. Er verwendet eine Reihe von geprägten Metallen (Kupfer, Blei, Alu). Die charakteristische Haltung Hawkings – sein Kampf gegen die Krankheit ALS – hat sich uns eingeprägt.
Der Raum, in den man die Ausstellung betritt, zeigt zwei monumentale Skulpturen, die eine Ikone der wissenschaftlichen Mediengeschichte beschreiben: die Challenger-Katastrophe von 1986. Die erste, ein glänzendes Aluminiumgussstück, präsentiert die 73 Sekunden dauernde „Expedition“ des Challenger-Shuttles, das sich als chronologische Achse vom Zeitpunkt der Zündung bis zur katastrophalen Explosion bei +73.191 Sekunden erstreckt. Die zweite Skulptur, ein patiniertes und poliertes Bronzegussstück, bezeichnet als „T= +76.437“, fasst das kollektive Gedächtnis eines tragischen Moments zusammen, dessen Form und Farbton an einen antiken Opferkopf erinnern, der aus dem Meer geborgen wurde.
Jesionkas Arbeit dient als vorausschauende Erforschung der menschlichen Psyche und zeigt die Schatten des technologischen Fortschritts.