Wenn die Regierung rechtschaffen ist, dann kommen Wind und Regen zur rechten Zeit.
Dong Zhongshu (179-104 v. Chr.)
Wie könnt ihr es wagen!
Greta Thunberg auf dem UN-Klimagipfel 2019
Einen "stolzen Sohn einer Bauernfamilie" nennt sich der intensiv die Klimageschichte des Mittelalters erforschende Johannes Preiser-Kapeller in seinem Buch Der Lange Sommer und die Kleine Eiszeit. Der methodisch vielseitige Byzantinist, Global- und Umwelthistoriker vergleicht in seinen Arbeiten nicht nur die "Archive der Natur" - dazu gehören etwa das Untersuchen von Baumringen, Pflanzenresten oder "Kohlenstoffisotopendaten" aus einer Tropfsteinhöhle in der Nordwesttürkei - mit den "Archiven der Gesellschaft" - hier sind etwa Schriftquellen von menschlichen Beobachtungen von Naturgefahren oder historische Berichte über Bittprozessionen angesichts von verheerenden Pestepedidemien gemeint -, sondern er versteht es auch, Alltagserfahrung mit wissenschaftlicher Analyse handfest zusammenzuführen. Kurzum: Johannes Preiser-Kapeller weiß zu erzählen, weiß seine Forschungen zu verheutigen und mit zeitgenössischen Lebenswelten und Klimaereignissen zu verknüpfen.
Und da sind wir schon wieder mitten drin in der Diskursreihe NEU GELESEN. NEU ERZÄHLT. NEU GEMISCHT. Unter dem Titel "Gottes Plagen oder Klimawandel?" liest Preiser-Kapeller im Cubus Texte aus dem Mittelalter zu Extremereignissen in der Steiermark und andernorts.
Befasst man sich vor dem Hintergrund der uns heute wortwörtlich überschwemmenden Naturkatastrophen mit seiner Umwelt- und Klimageschichte des Mittelalters, dann kommt man früher oder später unweigerlich auch auf die moralisch-politische Dimension, auf die Suche nach dem Grund und dem "Sinn der Katastrophe" und die Schöpfungsverantwortung der Menschen, wie es (inner-)kirchlich so schön heißt, zu sprechen. Denn, so der Umwelthistoriker, "im mittelalterlichen Europa und Mittelmeerraum als auch in China entwickelten sich [...] Ansätze einer 'moralischen Meteorologie', in der das schlechte Verhalten des Volkes, der Eliten oder des Herrschers mit der Häufigkeit und Stärke von Schadereignissen verknüpft wurde."
Passen das Eingangszitat von Dong Zhongshu oder das "Gottesplagenbild" an der Außenseite des Grazer Doms gut zum oben beschriebenen antiken und mittelalterlichen Deutungsmuster der Naturkatastrophe, die die Menschen - allen voran deren übel performende Herrscher - strafgerichtlich überkommt und die "symbolische Heilung erfordert" (Hartmut Böhme), so ist Greta Thunbergs Empörung über die klimapolitisch untätigen Herrschaftsfiguren unserer Tage zwar naturwissenschaftlich gesehen wesentlich rationaler und nachvollziehbarer. Doch nähren sich beide Denkweisen aus moralischer Empörung. Deuteten die "Moralmeteorologen" des Mittelalters, so Preiser-Kapeller, "Witterungsextreme "als Anzeichen von Missständen im Reich oder [...] des Schwindens des himmlischen Mandats für den Kaiser" so weisen heutige Umwelthistoriker, Meteorologinnen und vor allem forsche Klimaaktivisten auf einen kausalen Zusammenhang von politischem Fehlverhalten und planetarer Katastrophe hin. Sind die moralischen Wetterdeuter der Vergangenheit daher gar die Vorläufer der Klimaaktivisten? Darüber werden wir im Zuge der Lesung mit Johannes Preiser-Kapeller und dem Publikum diskutieren. Herzliche Einladung!
Anmeldung bei: florian.traussnig@kultum.at