Ein Jahr Krieg: Russland- und Ukrainebilder auf Austrotwitter & Co.
Im KULTUM fragten wir anlässlich dieses bedenklichen Jubiläums weniger nach dem aktuellen numerischen Verhältnis von Panzern und Geschützen auf ukrainischer oder russischer Seite, sondern wie sich vor dem Hintergrund des Social-Media-Diskurses das Ukraine- und Russlandbild von Österreicherinnen und Österreichern in diesem Jahr entwickelt hat. Welche Narrative, Klischees und (Vor-)Urteile über diese beiden Länder wurden auf „Austrotwitter“, aber auch etwa in digitalen Zeitungsforen von den Leserinnen und Usern verbreitet, welche (wieder) neu aufgegriffen, wie wurden sie weitergesponnen und was wurde – etwa mit Blick auf völker- und menschrechtliche Aspekte und Verbrechen – von wem neu- oder umerzählt? Was wurde verschwörungsideologisch neu gerahmt? Wo wird rational-abwägend und gleichzeitig ethisch engagiert argumentiert?
Kurzbericht zur Veranstaltung:
Die oft beschworene „‚Gatekeeper‘-Funktion klassischer Medien ist manchmal auch negativ“ – sagt der Völkerrechtler und umtriebige Twitter-User Ralph Janik im introspektiven Gespräch mit Florian Traussnig über den „word war“ in den sozialen Medien, der parallel zum konventionellen Ukraine-Krieg läuft.
Twitter etwa biete die Möglichkeit außerhalb des Elfenbeinturms unmittelbar auf Debatten zu reagieren und seine eigene Expertise – pointiert – einzuspielen. Aller – gerade im laufenden Krieg besonders sichtbaren und propagandistisch gefärbten – Polemik und Polarisierung zum Trotz eröffne die digitale Diskursarena gesellschaftspolitische Handlungsräume und neue wissenschaftliche Perspektiven. Sogar sein „academic writing“ sei dadurch besser geworden, so der Rechtswissenschaftler.
Angesprochen auf Österreichs (Medien-)Rolle im Ukraine-Krieg und die Neutralitätsdebatte ergänzte Janik: Österreich sei weniger der große internationale „Vermittler“, sondern leiste – etwa bei Friedensmissionen oder humanitär – „gute Dienste“; letztere sollten im laufenden Konflikt zugunsten der Ukraine punktuell offensiver ausgelegt werden. Das engagierte Publikum führte die Diskussion auch nach dem offiziellen Ende mit Verve weiter.
Florian Traussnig