Jugend ohne Gott? Identität on- und offline
Yesmin, Bella und Nati twerken und singen in Hijabs zu „Losing My Religion“ – sie werden zu einer Art YouTube-Stars, sind beliebte Gäste bei Festen religiöser Gemeinschaften, vor allem bei kurdischen Muslimen. Während sich die Kurdin Yasmin von ihrer Kultur distanziert, zieht genau diese ihre beiden beiden Freundinnen in den Bann. Es ist die Faszination für eine ihnen fremde Welt.
„Ich möchte eine klischeebefreite Geschichte erzählen, die mit ihnen spielt und sie verdreht“, so Kurdwin Ayub.
Für Sonne erhielt die Regisseurin auf der diesjährigen Berlinale den Preis für den besten Debütfilm. Seine Österreichpremiere feiert der Spielfilm am 5. April und eröffnet die Diagonale in der Helmut List Halle.
„In Sonne verdichtet Ayub ihre ästhetisch waghalsigen Manöver, ihren Humor und ihr gewieftes Sprachgefühl für den Jargon der Jugend zu einem radikalen Spielfilm. (…) Sonne ist ein Kind seiner Zeit und bringt die Ästhetik einer Gegenwart, in der dem Kino längst etwas Nostalgisches anhaftet, auf die Leinwand: Das Hochformat des Smartphones und die schnellen Schnitte flüchtiger Social-Media-Storys schreiben sich in Ayubs selbstbewusst inszenierte Kinobildwelt ein“, so Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger. Die Festivalleitung spricht von einer möglichen „Zäsur – im (jungen) österreichischen Kino“.
Generationenbruch, Widersprüche und neue Ästhetiken
Kurdwin Ayub ist einer der vier Podiumsgäste, die am 8. April im Cubus über Religion und ihre Sichtbarkeit online als auch offline spricht, im Fokus: Jugendliche und der möglicher Generationenbruch. Tiefe Einblicke über das Zusammen- und Auseinanderleben dreier Generationen gibt Regisseurin Cristina Zerr in ihrem Film Der stille Sturm. Sie begleitet ihren Partner Jakob in das burgenländische 700-Seelendorf Jabing. Die Migrationsgeschichte und Gedanken der 93-jährigen Großmutter Fannie, verwebt sie fein mit dem Leben ihres Enkels Jakob, der Flüchtenden auf der See-Watch 4 vor dem Ertrinken zu retten versucht. Im zeitlichen Kontext der Pandemie, die das Auslaufen der Sea-Watch 4 verzögert, eingebettet in die Enge eines christlich geprägten Dorflebens mit konservativen Traditionen wirft die Regisseurin einen Blick auf die Kommunikation zwischen den Generationen – per Telefonkonferenz über die Meere und vor Ort – Wertevorstellungen und Barmherzigkeit. Podiumgast Christina Zerr wird darüber sprechen, wie sich im kleinen Ort die Widersprüche der großen Welt offenbaren.
Orte religiösen Lebens und Wertevorstellungen
Regina Polak, Vorständin am Institut für Praktische Theologie an der Universität Wien, forscht seit Jahren unter anderem zu „Religion, Migration und Urbanisierung“ und zur Wertehaltung der Österreicher*innen. Gemeinsam mit Christoph Novak wird sie am Podium über Religion im Umbruch sprechen. Der Politikwissenschaftler Novak ist auf der Plattform YouBeOn für die Datenerhebung und -auswertung verantwortlich. Das Projekt untersucht, unter anderem, mithilfe einer qualitativen Studie wie sich religiöses Leben von jungen Menschen online abbildet und vergleicht es mit der Offline-Präsenz. In Gesprächen mit Influencer*innen und Vertreter*innen verschiedener Religionsgemeinschaften wird nach einer Verschiebung der Verortung gefragt, Narrative aufgespürt, Chancen des virtuellen Raums erkannt und der reale Raum als nicht verzichtbarer wahrgenommen.