Zwischen Kitsch und Pragmatismus. Florian Traussnig über Propagandakunst im Krieg
Dem Begriff „Propagandakunst“ ist ein schier unauflösbarer Widerspruch eingeschrieben: Laufen doch jene – für Regierungen, Armeen oder Geheimdienste arbeitenden – Kunstschaffenden, die mit ihren Worten, Bildern, Skulpturen, Filmen (und: Postings) propagandistische und weltanschaulich simple Antworten sowie Handlungsanleitungen geben, Gefahr, die Komplexität der Welt zugunsten schlichter Feind- und Freundbilder „wegzuerzählen“. Eine „Kunst“, die sich in politischen und gesellschaftlichen sowie militärischen Grundsatzfragen auf vorgefertigte „Holzhammerwahrheiten“ (Hanuš Burger) beschränkt, entledigt sich schnell ihrer ästhetischen, gesellschaftskritischen und intellektuellen Aspekte und verkommt zum ideologisierten Kitsch, zur Pseudokunst. So beklagte der vom NS-Regime bald desillusionierte Maler und Bildhauer Oskar Schlemmer 1933, als sich Hitlerdeutschland zwar noch nicht im Krieg befand, aber bereits heillos militaristisch und faschistisch durchdrungen war, die „Entlassung der Avantgardisten und die Inthronisierung der ‚Kitschiers‘“. Doch nicht nur Diktaturen setzen im Krieg auf Propagandakunst: Studiert man etwa britische Flugblätter des Ersten Weltkriegs oder jüngere Youtube-Clips von westlichen Regierung(sinstitution)en, zeigt sich: auch Demokratien sind im Kriegsfall propagandistisches Pathos und die interessensgeleitete Verzerrung von Fakten nicht fremd. In zahlreichen Fällen jedoch gelang und gelingt den in letzteren persuasiv arbeitenden Künstlerinnen und Künstlern der Spagat zwischen pragmatischem Handlungsrahmen und ästhetischem Anspruch erstaunlich gut. Mit kriegspropagandistischen und -biografischen Fallbeispielen des 20. und 21. Jahrhunderts wird der Historiker und KULTUM-Diskurskurator Florian Traussnig daher die Widersprüche, Ambivalenzen, aber auch unerwartet kreativen Potentiale von Propagandakunst im Krieg ausleuchten.
Florian Traussnig