2. BLUMENBERGTAGE. Blick und Wunsch: Höhlenausgänge
Am 9. März 2024 finden im KULTUM zum zweiten Mal „Blumenbergtage“ statt, in Erinnerung eines der großen Philosophen des 20. Jahrhunderts, der mit seiner Metaphorologie das abendländische philosophische Denken neu vermessen hat. Nach „Unterbringung von Unendlichkeit. Zur Lesbarkeit der Welt“ im Jahr 2022 standen nun mit „Blick und Wunsch“ die „Höhlenausgänge“ im Zentrum des Nachdenkens, des Schreibens, des Komponierens in diesem mehrspartigen Kunstprojekt. Diesem ist ein Filmbrunch über das Werk von Hans Blumenberg vorgeschaltet.
Den Höhlenbegriff und die Urmetapher der Höhle selbst, Platons Höhlengleichnis, theologische Rezeptionen und Bilder der Höhle, doch auch niederschwellig-populärkulturelle Aneignungen leuchteten im Diskursblock die zwei großen Blumenberg-Experten Rüdiger Zill (Potsdam) und Philipp Stoellger (Professor für Systematische Theologie und Hermeneutik an der Uni Heidelberg) unter der Moderation von Florian Traussnig aus.
Für den künstlerischen Teil am Abend im Minoritensaal (ab 19 Uhr) hatte Literatur-Kuratorin Barbara Rauchenberger die in Wien und Berlin lebende Autorin, Kommunikations- und Sprachwissenschaftlerin Judith Nika Pfeifer und den Wiener Kulturphilosophen und Schriftsteller Thomas Ballhausen um Schreibaufträge gebeten:
In seiner lyrischen Kurzprosa „Diese unbesetzten Stellen“ schließt der Thomas Ballhausen ganz direkt an Hans Blumenbergs Monografie „Höhlenausgänge“ an. Blumenberg hatte ja die Höhle – nach dem Wald – als Ort zweiter Herkunft, als sicheren und sehnsuchtsbestimmten Raum denkerisch erschlossen und über eine Vielzahl von Beispielen in seiner umfänglichen Monografie kontextualisiert. Richtigerweise spielen in „Höhlenausgänge“ sowohl das Platonische als auch andere Höhlengleichnisse eine zentrale Rolle, wenngleich Blumenberg in seiner Auslegung neue Aspekte dieser vielbeforschten Exempel in den Vordergrund rückt. Insbesondere an der Platonischen Parabel arbeitet er in seiner Lektüre, abseits üblicher Interpretationen, Fragen von Gewalt, Verantwortung und Rückkehr heraus. Ballhausens Text nimmt diese nur vermeintlich randständigen Momente des Höhlengleichnisses auf und entwickelt, in Korrespondenz mit Blumenbergs Überlegungen, eine phantastische Fort- und Umschreibung. Sein Text, der richtigerweise ein Zitat aus „Höhlenausgänge“ als programmatischen Titel trägt, thematisiert ebendiese Zwischenergebnisse der eigentlich unabschließbaren Blumenberg’schen Lektürearbeit. Unter Berücksichtigung politischer und ästhetischer Einschlüsse legt Ballhausen eine künstlerische Reflexions- und Forschungsarbeit vor, die sich erzählerisch nicht zuletzt auch der Fiktion als anthropologischer Grundkonstante widmet. Ganz im Sinne der von Blumenberg eher praktizierten denn konstatierten Unabschließbarkeit seiner philosophischen Höhlenkunde eröffnet Ballhausen mit den Mitteln der Literatur Perspektiven auf Existenz, Erkenntnis, Evidenz und Unterwelt.
Polyphon und mit stenorette durchsetzter Stimme, die eine Art Übertritt und allmähliches Aufgehen in einer anders gedachten, zwischen zwei Buchdeckeln gepresste Raumzeit mit Blickwunsch Richtung neu kartographierter Welt versucht, widmet sich Nika Pfeifer in ihrer poetischen Annäherung an Hans Blumenbergs Höhlenausgänge zwischen Ge- und Erfundenem, Erinnertem, Geträumtem, allerlei Comments "all caves read" und Zitaten den womöglich unerfüllbaren Ein- und Ausstiegszenarien, die im individuellen wie im kollektiven Echoraum nachhallen bzw. neu definiert werden.
Neue Musik, die sich mit der Höhlenthematik beschäftigt, ist der zweite integrierende Teil des Kunst-Teils der Blumenbergtage: Die international gefragte Altistin Helena Sorokina interpretiert Werke von des Grazer Komponisten Martin Ritter, von Feliz Anne Reyes Macahis und Hannes Kerschbaumer (Uraufführung) (Kurator Neue Musik: Benedikt Alphart). Die Werke sind für Stimme und Elektronik geschrieben und werden im Minoritensaal mehrkanalig wiedergegeben.
19 Uhr Lesungen und Konzertim Minoritensaal Texte: Judith Nika Pfeifer und Thomas Ballhausen Kompositionen: Martin Ritter, Feliz Anne Reyes Macahis und
Hannes Kerschbaumer (Uraufführung) Alt: Helena Sorokina Elektronik: Martin Ritter