Der erste Abend in der Reihe Der doppelte Gast findet am 18. Juni 2021 statt und führt jeweils zwei Dichter oder Dichterinnen zu einer gemeinsamen Lesung zusammen. Wer der doppelte Gast ist, entscheidet allerdings immer der oder die von uns Eingeladene. Bisher fanden in dieser Reihe zwei Abende statt: Thomas Ballhausen lud Helwig Brunner ein, Franz Dodellas mitMila Haugová. Nun folgen Kerstin Preiwuß und Nadja Küchenmeister und am 25. Juni Christoph Wenzel und Karin Fellner. Beide Abende versprechen viel!
Mit Kerstin Preiwuß kommt eine lyrische Stimme nach Graz, die ausgezeichnet mit dem Lyrikpreis Meran nach den wunden Punkten im Leben sucht. Mit ihrem dritten Gedichtband „Taupunkt“ führt sie also fort und beschließt, was sie mit dem Band „Rede“ begann und in „Gespür für Licht“ weiterverfolgte: Für die Dauer einer Nacht setzt ein Sprachstrom ein, vergleichbar mit einem tiefen Einatmen, das unerschrocken durch alle Schichten des Ichs dringt. Dort nämlich setzt ihr Dichten an und sucht Zusammenhänge zwischen Sprache und Atem, zwischen Sprache und Körper. So entwickelt Preiwuß in rätselhaft zarten und klangmagisch aufregenden Gedichten geheimnisvolle Schöpfungsgeschichten, Fantasien von „Taupunkten“, die zu Verwandlungs- und Aufenthaltsorten für menschliches, tierisches und pflanzliches Dasein werden. Wie naturmystische Wasserstoffzüge steigen diese Gedichte auf, dorthin, wo Bewegung und Ruhe im Gleichklang sind und das Denken sich von seinen Absichten löst, am Taupunkt der Sprache also, wo die Worte wie Wasserdampf in der Luft enthalten sind, denn von da aus kondensieren sie oder schlagen sich nieder als Tau.
Begleitet wird Kerstin Preiwuß von Nadja Küchenmeister, die ebenfalls aus ihrem dritten Gedichtband „Im Glasberg“ lesen wird, einem Band, der völlig vertraut auf den poetischen Ausdruck, die literarische Tradition des Märchens und den Alltag als Quell poetischer Verwandlungen. Küchenmeisters Gedichte haben etwas zutiefst Kindliches, in dem sie Ich und Du, Innen- und Außenwelt miteinander verschmelzen.
Mit Christoph Wenzel und Karin Fellner sind Ende Juni zwei Lyriker zu Gast, die ihre Gedichte stets als bewusste Fortsetzung einer uralten Natur- und Seelenerkundung, als Geste einer „natürlichen Versprachung“ verstehen. Christoph Wenzel wird an diesem Abend aus seinem in Arbeit befindlichen Manuskript mit dem vorläufigen Titel „das silodenken der maisfelder“ lesen, das nach Abschluss in der Edition Korrespondenzen erscheinen wird. Für einen Auszug aus diesem Manuskript wurde ihm 2020 der Dresdner Lyrikpreis zuerkannt. Karin Fellner wird aus ihrem Band „eins: zum andern“ lesen, ein Band, der, wie es Christoph Wenzel, der sie nach Graz eingeladen hat beschreibt, „eine Art mehrdimensionaler semantischer, morphologischer und bildhafter Klettergarten [ist], der durch die Liebe, die Natur und durch die Sprache selbst führt.“
Im Herbst werden in dieser Reihe dann Margret Kreidl und Tom Schulz, Ulrich Koch und Thomas Kunst, sowie Ursula Krechel und Daniela Danz zu Gast sein.